Ich hab ja nun keinerlei Ahnung von Rollenspiel-BWL, weshalb es für mich das größte Rätsel dieses Jahrzehnts ist, wie die „Choose Cthulhu“-Spielbuchreihe (Link) bereits auf fünf Bände kommen kann. Spielmechanisch super simple, mega kurze Spielbücher mit einer angehängten Lovecraft-Kurzgeschichte – Gibt es da wirklich einen Markt für? Oder hat der „Mantikore Verlag“ einfach so einen fiesen Knebelvertrag unterschieben, dass sie die Reihe bis in alle Ewigkeiten übersetzen müssen? Oder, und das scheint mit fast schon am wahrscheinlichsten, „Choose Cthulhu“ trägt sich tatsächlich durch die Hardcore-Cthulhu-Allessammelnden und totale Neulinge, die unbedarft zugreifen und danach nie wieder ein Rollenspiel-Produkt in die Hand nehmen...
Keine Ahnung, aber um meine mangelnde Einsicht in die „Mantikore“-Verlagsbilanzen soll es auch nicht gehen, sondern um „Das Grauen von Dunwich“. Das mittlerweile fünfte Spielbuch der Reihe ist diesmal 264 Seiten dick, was für ein Solo-Spielbuch mit 141 Abschnitten, ein kurzes Bestiarium und die titelgebende Kurzgeschichte reicht. Letztere ist ziemlich populär, erzählt sie doch von den cthulhuiden Ritualen der Familie Whately, die das abgelegende Städtchen Dunwich terrorisieren. Dafür brauchen sie eigentlich ein vollständig erhaltenes Necronomicon, aber der übervorsichtige Bibliothekar Dr. Henry Armitage von der Miskatonic-Universität will das einfach nicht rausrücken. In der Kurzgeschichte geht jetzt der Horror erst richtig los, im Spielbuch-Teil dagegen geht es zurück in die Vergangenheit, als Dr. Armitage während einer Studienreise durch Zufall nach Dunwich kommt. Komische Landeier überall, alles ein wenig düster und gruselig, und vor dieser Whately-Familie sollte man sich auch lieber hüten...
Man kann sich denken, was nun passiert: Dr. Armitage scharwenzelt durch die Gegend, egal ob in Dunwich oder doch zurück in der Universität, kann aber das Unvermeidliche nicht vermeiden – Immerhin sind wir hier bei einem Cthulhu-Spielbuch, da muss irgendwann das cthulhuide Chaos ausbrechen, welches die Spielfigur in einem der zwölf möglichen Enden in den allermeisten Fällen in den Wahnsinn oder gar den Tod stürzt. Aber das ist prinzipiell okay, wer sich auf ein „Choose Cthulhu“-Spielbuch einlässt, der weiß in den allermeisten Fällen, was ihn erwartet. Und im Zweifelsfall kann man ja in der beigefügten, neu übersetzten Original-Geschichte nachlesen, wie man sich hätte richtig verhalten müssen 😉
Nichtsdestotrotz ist „Das Grauen von Dunwich“ spielmechanisch wieder rudimentär. Am Ende einiger Spielbuchabschnitte kann man wählen, ob man lieber zum Ort A oder zum Ort B weiterzieht beziehungsweise ob man Handlung A oder Handlung B ausführt. Je nachdem liest man dann an einem anderen der 141 Abschnitte weiter. Soweit ist das auch alles solide, aber so ich mich nicht verzählt habe, gibt es genau zwanzig Abschnitte, an denen man sich entscheiden kann. Das sind, selbst wenn man die Enden abzieht, nur um die 15 Prozent! Schade! Aber immerhin lesen sich die Texte wieder gut, zudem sind die gelegentlichen Zeichnungen angenehm gruselig.
Fazit: Reicht das aber aus, um Spielbuch-Fans zu begeistern, selbst wenn sich um Hardcore-Cthulhu-Sammelnde handelt? Wohl eher nicht. Sieht man es umgekehrt aber als eine für 13,95 € nett aufbereitete Lovecraft-Kurzgeschichte, die als Bonus oben drauf noch ein kleines Solo-Spielbüchlein bietet, dann hat man hier immerhin ein nettes kleines Mitbringsel für Gruselfans. Ist ja eh gerade Ostern, da bietet sich sowas an. Durchschnittliche Rollenspiele dürfen „Das Grauen von Dunwich“ (Link), aber auch generell die ganze „Choose Cthulhu“-Reihe, jedoch gerne links liegen lassen!
PS: Wie immer krassen Respekt an den „Mantikore Verlag“, dass sie mir ungefragt die „Choose Cthulhu“-Spielbücher zur Rezension zusenden, obwohl sie wirklich jedes Mal abgewatscht werden 😉 Deshalb will ich das auch gern einordnen: „Mantikore“ hat sehr viele andere, sehr viel bessere Solo-Spielbücher, also schaut euch da ruhig mal im Verlagsportfolio um!