Ich starte mit einer provokanten Frage: Ist das DCC-Spielkonzept mittlerweile ausgelutscht? Denn den bisher vom „System Matters“-Verlag eingedeutschten Abenteuern zum OSR-Dungeoncrawler „Dungeon Crawl Classics“ war allen gemein, dass sie mindestens gut waren. Mal einfach nur richtig gut, wie etwa durchweg alles unter dem „DCC Tag“-Label (Link), und manchmal zwar sehr speziell, aber gerade deswegen gut, wie etwa der Wettbewerbssieger „Der Betrachter aus der Tiefe“ (Link). Mit „Die Flucht der Meerkönigin!“ ist nun aber ein Abenteuer erschienen, welches ich erstmals als eher mittelmäßig einordnen würde... Das für sechs HeldInnen der Stufe 3 gedachte Abenteuer „Die Flucht der Meerkönigin!“, dessen Titelbild in Verbindung mit dem Titel übrigens härter spoilert als jegliche Rezension, die ich hier jemals verfasst habe, handelt erwartungsgemäß von einer gefangenen Meerkönigin. Diese sendet, mittels eines im vorherigen Abenteuer gefundenen Schatzes, einen Hilferuf direkt in die Träume der SC. Denn der fiese Zauberer Shadankin hat sie, weil sie ihn nicht ranlassen wollte, in einen magisches Kerker auf der winzigen Insel Fernoog gesteckt. Wenn man sie aber rettet, dann gibt es unermesslichen Reichtum, allerdings muss man dafür erst einmal den Schlüssel zur Gefängnistür finden. Was gar nicht so leicht ist, weshalb man insgesamt drei kleinere Dungeons erkunden muss:
- Zuerst geht es in Shandankins Refugium, um irgendeinen Hinweis zu bekommen, wo denn der Kerkerschlüssel sein könnte. Hier kämpft man u.a. gegen wilde Neunaugenmenschen und springt über schwebende Schildkrötenpanzer. Außerdem kämpft man unter Wasser gegen blutrünstige Riesenhaie, was eines der Highlights dieses Abenteuers ist, da so ein Unterwasserkampf natürlich ganz andere Regeln hat :-) - Dann geht es weiter in Das Gewölbe der Schildkröte (oder auch irgendwie in die Schildkröte), wo man mit etwas Pech einen ziemlich witzigen Fluch abbekommt: Die SpielerInnen tauschen im „Idealfall“ ihre Charaktere untereinander, mit etwas Pech auch nur mit einer Krabbe – Ziemlich unterhaltsam, wenn der Haudrauf-Kämpfer auf die schmerzhafte Art lernen muss, dass sich eine Magierin ganz anders spielt ;-) - Der Schlüssel ist gefunden, also ab aufs Schiff und nach Fernoog gesegelt. Dort wartet Der Erdkerker, ziemlich viel brennbares Teer und schließlich auch die Meereskönigin, welche letztlich nicht ganz so dankbar ist wie erhofft – Kein Spoiler, das verrät das Titelbild :-P
Letztlich haben wir hier die klassische DCC-Erfolgformel: Eine eher klassisch-simple Geschichte über HeldInnen, die in Dungeons hinabsteigen, welche auf ihrer Reise mit interessanten & kreativen, vor allem aber auch bizarren & tödlichen Herausforderungen konfrontiert werden. Irgendwie war ich diesmal aber nicht ganz so emotional gepackt wie sonst, so richtig kann ich allerdings nicht den Finger drauflegen. Vielleicht war die „Rette die Jungfrau in Nöten“-Geschichte dann doch zu ausgelutscht? Oder gab es für eine Meer-Thematik zu wenig (Unter-)Wasseraction? Möglicherweise waren die drei Dungeons aber auch einfach zu klein, um ihr atmosphärisches Potential völlig zu entfalten, denn bei knallharten OSR-Fans heißt es ja angeblich immer „Der Dungeon an sich erzählt die Geschichte“ – Keine Ahnung, vermutlich haben einfach alle anderen DCC-Fans hiermit genauso viel Spaß wie immer... Ein dicker Pluspunkt ist dagegen, dass es neben dem eigentlichen Abenteuer auch noch ein kleines Kampagnensetting gibt. Auf fünf Seiten erfährt man mehr über Das versunkene Reich Ru, ein paar Abenteuerideen gibt es oben drauf. Somit dürften kreative OSR-Fans mit diesem dreißigseitigen Heftchen, für das die Podcast-Kollegen von „System Matters“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) glatte 10 € verlangen, durchaus mehrere Spieleabende verbringen. Diese erfreuen sich auch wieder an den stylischen Oldschool-Zeichnungen und den gut geschriebenen Texten. Fazit: Ich kann mir gut vorstellen, dass OSR-Fans mit „Dungeon Crawl Classics #75 Die Flucht der Meerkönigin!“ (Link) viel Spaß haben werden. Irgendwie finde ich es aber mittelmäßiger als die bisherigen DCC-Abenteuer, aber das ist mehr ein Bauchgefühl, als dass ich dafür jetzt wissenschaftliche Beweise habe...