Es hätte so schön werden können: „Die Ringe der Macht“ wird milliardenfach gestreamt, die Welt ist begeistert und will die „Der Herr der Ringe“-Welt selbst erleben, und dann wird das „Der Eine Ring“-Rollenspiel zu dem größten Verkaufsschlager seit dem DSA-Hype... Nun ist das leider nicht passiert, denn die Serie war echt nur okayes Mittelmaß, aber das Starterset zur zweiten Edition von „Der Eine Ring“ hat trotzdem den deutschsprachigen Rollenspielmarkt erreicht.
Also Grund genug, um sich das ziemlich stattliche Päckchen mal anzuschauen ;-) 39,95 € verlangt „Truant Spiele“ (von denen ich dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekam) für das Starterset, was sich preislich damit mittlerweile im oberen Mittelfeld vergleichbarer Produkte ansiedelt. Entsprechend gut gefüllt ist die stabile Pappbox: Neben drei Heften gibt acht vorgefertigte, doppelseitige Charakterbögen, 30 Ausrüstungskarten, ein doppelseitiges Landkartenposter sowie alle benötigten Würfel (2W12, 6W6) und sechs Bierdeckel (okay, das sind angeblich Haltungskarten :-P aber die braucht man eigentlich eh erst für das Grundregelwerk). Alles von guter Qualität, wobei es mir gerade die reduzierte grafische Gestaltung mit hübschen Bleistiftradierungen angetan hat. Aber es kommt natürlich nicht nur auf die äußeren Werte an, wichtig ist, ob man hier auch ein gutes Rollenspiel bekommt!
Dass das Regelheftchen nur 24 Seiten umfasst und dass auch die relevanten Inhalte des Charakterbogens auf eine Seite passen, ist schon ein gutes Indiz dafür, dass „Der Eine Ring“ (zumindest im Starterset) ein eher regelleichtes Spiel ist. Man würfelt mit ein bis zwei Heldenwürfeln (W12, wobei Saurons Auge eine 0 darstellt und Gandalfs Rune eine Probe automatisch gelingen lässt) sowie bis zu sechs Erfolgswürfeln. Letztere sind eigentlich simple W6, jedoch enthält die Zahl 6 zusätzlich ein Elbensymbol, welches Erfolge verbessert. Entsprechend seiner Fähigkeiten würfelt man einen entsprechend großen Würfelpool, um dann die addierten Wurfergebnisse mit dem Schwierigkeitsgrad zu vergleichen. Die Probe gelingt, wenn man den Schwierigkeitsgrad mindestens erreicht oder sogar übertroffen hat. Also eigentlich alles nicht schwer, die grundlegenden Probenregeln werden dann auch auf vier Seiten abgehandelt, aber manchmal dachte ich mir beim Lesen der verschiedenen Boni & Mali schon „das hat man jetzt aber mutwillig verkompliziert“. Also nichts, womit motivierte „Herr der Ringe“-Nerds nicht klarkommen würden, aber absolute Rollenspiel-Neulinge werden ihren Würfelpool bei den ersten Versuchen vielleicht doch mal falsch zusammenstellen...
Dafür sollten besagte Neulinge ziemlich gut mit der 32-seitigen Kampagne zurecht kommen, in welcher sie als wagemutige Hobbits fünf zusammenhängende Kurzabenteuer erleben. Denn Bilbo Beutlin höchstselbst hat wieder mal große Pläne, die er alleine aber nicht umsetzen kann. So muss erst eine Landkarte aus einem Museum gestohlen werden, um damit dann auf die Suche nach der legendären Keule des Badobras Tuk zu gehen. Anschließend soll man herausfinden, wer mit Gandalfs Feuerwerk rumböllert, bevor man einen Brief überbringt und letztlich eine verbrannte Bestie jagt – Also alles sehr, wirklich sehr bodenständige Kurzabenteuer, welche atmosphärisch ganz gut in das beschauliche Auenland passen. Mit deren Komplexität und Umfang sollten Spielende, auch wenn sie frisch im Hobby sind, definitiv nicht überfordert werden. Und weil die Hobbits ja allesamt beim Kämpfen nicht allzu meisterlich sind, geht es auch eher weniger um den bewaffneten Konflikt, womit sich diese Kampagne auch ganz wunderbar für den Rollenspiel-Nachwuchs ab dem Ende der Grundschule eignet.
Dem gegenüber sollte die Spielleitung vielleicht schon etwas erfahrener sein, denn die bekommt hier zwar einerseits eine ganze Menge an wirklich guten Vorlesetexten und auch ein paar Spielhilfen, am Ende muss sie sich aber durch einen wirklich linearen Aufbau durchhangeln und hoffen, dass niemand irgendeine kreative Idee mitbringt ;-) Gefallen hat mir dafür sehr, dass man im Verlauf der Kampagne nicht bei den vorgegebenen Beispielcharakteren bleiben muss, sondern dass man sozusagen zwei Promi-NSCs freischalten kann, um diese in späteren Kurzabenteuern zu spielen.
Das umfangreichste Heftchen (bzw. das einzige Softcover) des Startersets ist der 52 Seiten umfassende Settingband über das Auenland. Dieser stellt die Hobbits mitsamt ihrer Geschichte, ihren Sozialstrukturen sowie den verschiedenen Regionen und Ortschaften zwar nur grob vor, enthält aber neben einigen Abenteuerideen auch eine ganze Menge an Zufallstabellen. Zusammen mit einem „Der Hobbit“- oder „Herr der Ringe“-Filmmarathon sollte man als Spielleitung somit genügend Infos & Ideen zusammen bekommen, damit sich die Hobbits noch ein paar Spieleabende mehr im Auenland vergnügen können. Wie schon in der Kampagne darf es aber nicht zu kampflastig werden, denn kumuliert gibt es lediglich vier Gegnertypen mit eigenen Kampfwerten, von denen man bereits drei aus der Kampagne kennt. Nichtsdestotrotz dürfte dieser Settingband für viele „Herr der Ringe“-Fans sicherlich das Highlight des Startersets sein, wobei die riesige doppelseitige Landkarte (vorne Auenland, hinten Mittelerde) sicherlich auch ein schöner Bonus ist. Daher...
Fazit...geht meine große Empfehlung an alle „Herr der Ringe“-, „Der Hobbit“- & „Die Ringe der Macht“-Fans :-D Denn das Starterset für die 2. Edition des „Der Eine Ring“-Rollenspiels (Link) bietet die volle Dröhnung Auenland.