Mit der 1976 im belgischen „Eppo“-Magazin debütierenden „Storm“-Comicreihe hat sich der „Splitter Verlag“ (Link) einen echten Comic-Klassiker ins Portfolio geholt. Mit „Die Chroniken von Rothaar“ wird nun auch die neue SpinOff-Reihe rund um die Vergangenheit von Storms Freundin Rothaar veröffentlicht – Ob die wohl auch ein Klassiker wird?
Wer ist diese junge, rothaarige Frau mit dem überaus kreativen Namen Rothaar? Aufgewachsen in einer beschaulichen Siedlung als Ziehtochter des Dorfältesten Kiley, versucht sie sich als vollwertige Kriegerin zu beweisen und rebelliert damit gegen die althergebrachten Geschlechterrollen. Ein interessanter Ansatz wie ich finde, leider erfährt man in diesem zweiten Band der Reihe nichts Neues über sie. Stattdessen wird die Handlung rund um einen jungen (und überaus unsympathischen) Adeligen fortgeführt, den Rothaar und Kiley eskortieren dürfen. Dabei sieht es am Anfang gar nicht so gut für diese Mission aus: Rothaar gefesselt von grausamen Tinuide-Nomaden in der Knochenebene, Kiley und der Adelige verschwunden... Doch das ist nur das erste Problem, welches sich dem im Verlauf der Handlung wiedervereinten Trio in den Weg stellt: Ein kreativer Selbstmord-Hinterhalt und gleich mehrere Räuberbanden stehen zwischen den Protagonisten und dem fünften Turm. Dieser entstammt einer längst vergessenen Zeit, in welcher die Welt noch hochtechnisiert war. Aus diesem Mix einer Low-Fantasy-Welt (schnell assoziiert man Sword & Sorcery im Stile von „Conan der Barbar“) mit postapokalyptischen Sciencefiction-Elementen (beispielsweise ein verlassenes Raumschiff, eine Monorail und dem namensgebenden fünften Turm) zieht der Comic-Band dann auch vornehmlich seinen Reiz.
Was im Umkehrschluss damit leider auch bedeutet, dass die eigentliche Geschichte und ihre Handlungsträger nicht ganz überzeugen können: Die Handlung rund um den fünften Turm ist ein typisches Reiseabenteuer (von A nach B, dazwischen Gefahren, dann erfährt man was Neues und will nach C, auf dem Weg sind noch mehr Gefahren), was an sich ja auch keinesfalls schlecht ist, allerdings wirkt das alles ein wenig gehetzt. Gerade die Motivation der Nebencharaktere bleibt so etwas im Dunkeln, weshalb manche ihrer Handlungen willkürlich beziehungsweise konstruiert wirken. Auch die Protagonisten entwickeln sich leider kaum weiter, hier verschenkt der zweite Band also Potential. Aber sind wir mal ehrlich, wer einen „Storm“-Comic liest tut dies nicht unbedingt wegen tiefgründiger Charakterstudien :-P Sondern natürlich wegen knalliger Action! Und davon gibt es in „Der fünfte Turm“ mehr als genug: Schwertkämpfe, Verfolgungsjagden, Explosionen, Flammenangriffe und... nackte Brüste ;-) Zugegeben, das ist dann schon ein wenig verwirrend, wenn die Geschichte eine emanzipierte Frau thematisiert, diese allerdings in explizitester Weise als Sexobjekt dargestellt wird – Expliziter noch als Comic-Kollegin „Red Sonja“, welche immerhin noch einen Kettenhemd-Bikini trug :-) Rothaar erinnert recht deutlich an diese Comic-Ikone, was möglicherweise daran liegen könnte, dass der Auftaktband der Reihe vom gleichen Autor (Roy Thomas) geschrieben wurde.
Immerhin, so ich mir diese Aussage erlauben darf, sind Rothaars Brüste hübsch gezeichnet ;-) Generell wird der Stil von Romano Molenaar ja gelegentlich als unpassend für diese Serie kritisiert (Link), ich persönlich finde ihn aber ganz in Ordnung, ebenso wie die atmosphärische Kolorierung. Nichts, was den Leser jetzt in Staunen versetzt mit Eigenwilligkeit oder Hyperrealismus, aber genau wie die Geschichte an sich bringen die Zeichnungen ein ganz spezielles, nostalgisches 70er-Jahre-Flair rüber. Verpackt zwischen zwei Hardcover-Buchdeckel präsentieren sich die 64 Seiten wieder in bester Druckqualität vom „Splitter Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte). Gerade für Fans der Serie ist außerdem der 15seitige Bonusabschnitt mit Artwork und Hintergrundinformationen sehr lohnenswert. Besonders auch, da in den Texten mal nicht nur Lobhudelei betrieben wird, sondern auch offene Worte fallen. Beispielweise, dass man mit dem letzten Koloristen nicht zufrieden war und sich deshalb einen neuen geholt hat. 14,80 € sind für Fans ein durchaus angemessener Preis.
Fazit: Eine kampfstarke, sehr leicht bekleidete, emanzipierte Heldin beim Schwertkampf in einer phantastischen SciFi-Fantasy-Welt: Mit „Storm: Die Chroniken von Rothaar #2 Der fünfte Turm“ (Link) hatte ich das Gefühl, eine Zeitreise in die Comics und auch Pulp-Barbarenfilme der 70er Jahre zu unternehmen. Wer sich für dieses Genre begeistern kann, wird zweifelsohne seine Freude haben.