Der von mir sehr geschätzte Kleinstverlag „Redaktion Phantastik“ macht es schon sehr geschickt mit dem Steam-Pulp-Fantasy-Rollenspiel „Wolsung“ - Während die Übersetzung des Grundregelwerks noch immer auf sich warten lässt, werden ungeduldigen Spielern wie mir immer wieder leckere Appetithäppchen zugeworfen. Erst das gelungene „Trailer-Set für Schnellstarter“, dann zweimal die Spielleiterhilfe „Urdapedia“ (Link). Nun erschien „Die Bilder des Isidor Necpla“ - Kann das Abenteuerheft qualitativ mit den anderen Publikationen mithalten?
Die Mitglieder einer schon lange vergangenen Expedition werden plötzlich von einer mysteriösen Krankheit heimgesucht. Körperlich vollkommen gesund, verfallen sie in eine totale geistige Leere. Ist hier etwa ein Fluch im Spiel? Oder will sich jemand an der Forschergruppe rächen? Für die Spieler, denen das Abenteuer mehrere plausible Einstiegsoptionen bietet, beginnt damit ein durchaus interessanter Kriminalfall, welcher sie sowohl in der Ober- als auch in der Unterschicht von Lyonesse ermitteln lässt. „Die Bilder von Isidor Necpla“ ist dabei ein nahezu lupenreines Mystery-Detektiv-Abenteuer, welches von den Spielern primär Recherche und Befragungen abverlangt. Action gibt es eher in homöopathischen Dosen, zumeist auch nur wenn die Spieler es darauf anlegen (z.B. wenn sie sich bei einem Einbruch mit den Oger-Wachen rumschlagen anstatt einfach mal ein nettes Gespräch zu führen ;-)).
Dem idealerweise erfahrenen Spielleiter wird hier sehr viel gut ausgearbeitetes Material vorgegeben, mit welchem er allerdings umzugehen verstehen muss (deswegen „idealerweise erfahrenen“). Denn einerseits sind die Texte recht umfangreich und nicht immer übersichtlich gestaltet, sodass man sich bei der Vorbereitung der Spielrunde die wichtigen Informationen und Handlungsabläufe lieber herausschreiben sollte. Andererseits ist der Abenteueraufbau auch so geruhsam und offen, dass die Gefahr besteht, dass die Spieler sich gerade in den ersten Kapiteln durch zu wenig konkrete Hinweise gern mal verrennen können – Was paradoxerweise gleichsam ein Lob für den Kriminalfall ist, da man am Anfang wirklich niemals auf die Lösung kommen wird was hinter der "Krankheit" steckt und der Erfolg am Ende somit noch viel süßer schmeckt ;-) Ebenfalls erfahren sollte der Spielleiter auch aus dem Grund sein, dass man ein nur dreiviertel-abgeschlossenes Ende hat, welches die Spieler – je nachdem, wie sie in den Fall eingestiegen sind – durchaus nicht vollständig befriedigen könnte, wenn der Spielleiter nicht schnell eine glaubhafte Lösung des Problems (wohlgemerkt nicht des Falls) oder ein Folgeabenteuer improvisiert...
Als Mystery-Detektiv-Abenteuer funktioniert „Die Bilder des Isidor Necpla“ jedenfalls gut, als Präsentation des „Wolsung“-Settings aber nur teilweise. Es fehlt einfach irgendwie das „Steam“ und besonders das „Pulp“, was den übrigens generell regelarmen Band (man benötigt nur den Schnellstarter zum Spielen) andererseits aber auch ziemlich kompatibel mit anderen Fantasy-Settings macht. Wobei, auch hier muss ich mich gleich selber relativieren: Mit dieser Ausrichtung zeigt der geruhsame Krimi-Band die vielfältigen Abenteuer-Möglichkeiten des Settings, waren die bisherigen deutschsprachigen Veröffentlichungen mit abstürzenden Luftschiffen und durchdrehenden Steam-Robotern doch eher vollgepackt mit knalliger Action :-) Vergleichbar mit den vorherigen Publikationen ist die gelungene Präsentation, welche wieder auf ein gediegenes Sepia-Layout mit gut lektorierten Texten und schönen Zeichnungen setzt. Hier gibt es nichts zu meckern, sodass der Preis von 8 € für 28 Seiten dünnes DIN-A4-Heft durchaus akzeptabel ist, gerade wenn man bedenkt dass die „Redaktion Phantastik“ (welche mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) nur ein enthusiastischer Kleinstverlag ist :-)
Fazit: Auch wenn ich persönlich gerade die Pulp-Elemente in diesem geruhsamen Mystery-Detektiv-Abenteuers vermisse, ist „Wolsung: Die Bilder des Isidor Necpla“ (Link) doch wieder ein gelungener „Wolsung“-Appetithappen, der mich die Übersetzung des Grundregelwerks noch mehr herbeisehnen lässt :-D