Achja, der Robin Hood, der wird in der Popkultur ja bekanntermaßen hoch- und runtergenudelt – Mal mehr, mal weniger unterhaltsam. Die Comic-Interpretation „Nottingham“ (Link) bereichert den Mythos mit einer ungewöhnlichen Figurenkonstellation, welche dem Auftaktband der Reihe eine Daseinsberechtigung verschaffte. Doch bereits am Ende von „Lösegeld für den König“ wurde dieser Rollentausch halbwegs rückgängig gemacht, sodass ich mehr als gespannt war, ob die Geschichte im Mittelteil der Trilogie doch wieder in „klassischere“ Bahnen gelenkt werden würde... Prinzipiell geht es in „Nottingham“ jedenfalls um Robin Hood, der mit der altbekannten Ausgangslage konfrontiert wird: Richard Löwenherz, der eigentliche englische König, hat bei seinem Kreuzzug einen ziemlichen Fehlschlag hingelegt und es sich nebenbei auch noch mit einigen ziemlich mächtigen Herrschern verscherzt. Also die ideale Gelegenheit für seinen Bruder John, um mal die Fühler nach dem Thron auszustrecken. Dafür brauchte es aber das nötige Kleingeld, was ihm der königstreue Sheriff William von Nottingham auch freigiebig aushändigt – Nur um dann als Robin Hood sein Geld zurück zu stehlen! Leider gibt er bereits am Ende des ersten Bandes die grüne Kapuze weiter, sodass das spannende Grundkonzept „Robin Hood kämpft gegen sich selbst“ leider einem klassischen „Robin Hood, wenn auch in Person von Lady Marian, kämpft gegen den Sheriff“ weichen musste :-( Dies ist die Ausgangslage des zweiten Bandes „Treibjagd“, der ein fast schon prototypischer Trilogie-Mittelteil ist, indem nach allerlei Konflikten untereinander alle relevanten Figuren in Position für das große Finale gebracht werden: Bruder Tuck flieht vor Prinz John nach Nottingham, weil er Dinge gehört hat, die er lieber nicht gehört hätte. Lady Marian versucht sich als neuer Robin Hood gegenüber Little John zu behaupten, der lieber den „Gangster-Lifestyle“ leben will. Auch Sheriff William will die Räuber im Zaum halten, was aber gar nicht so einfach ist, da er zwischen seinen Gefühlen zu Marian und dem Wunsch nach einer Wiederherstellung von Recht & Gesetz hin- und hergerissen ist. Und außerdem darf ja niemand mitbekommen, dass er mal selbst der berüchtigte Kapuzenträger war... Im Auftaktband habe ich ja bereits bemängelt, dass es ein paar Seiten gedauert hat, bis man sich in die Handlung hineingefunden hat. Und hier ist es, obschon die Geschichte ohne große Zeitsprünge direkt an den Vorgängerband anschließt, ebenso... Okay, es gibt hin und wieder einen kleinen Kampf, aber im Prinzip dauert es mehr als die Hälfte des Bandes, bis das ganze Blablabla und das ganze Hin & Her zwischen den tendenziell eher unsympathischen Figuren nicht mehr nur eine Aufarbeitung der vergangenen Geschehnisse ist, sondern es endlich mal vorwärts geht. Das Erzähltempo ist dann doch ein wenig ermüdend, dafür hätte es eigentlich keine 56 Seiten beziehungsweise einen ganzen Band gebraucht. Ermüdend ist vielleicht sogar das falsche Wort, vielleicht wäre „unausgegoren“ besser? Die in „Treibjagd“ erzählte Geschichte ist für diesen Comic-Umfang eigentlich zu dünn, gern hätte sich das Autoren-Duo Vincent Brugeas & Manu Herzet tiefergehend mit den Figuren und entsprechend den daraus resultierenden Konflikten beschäftigen können. Noch immer kann ich zu jeder populären Nebenfigur vielleicht eine Eigenschaft oder einen Charakterzug mehr sagen als das, was ich aus anderen Werken kenne, was insofern schade ist, da in „Nottingham“ doch eigentlich alles ein wenig anders ist... Immerhin leistet Benoît Dellac als Zeichner sehr solide Arbeit, da kann man sich als Mittelalter-Fan durchaus dran erfreuen :-) Diese Zielgruppe kann sich das vom „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) mit glatten 16 € bepreiste Hardcover auch bedenkenlos unter den Weihnachtsbaum legen. Alle anderen Comic-Fans sollten vielleicht noch den finalen dritten Band abwarten, denn... Fazit: „Nottingham #2 Treibjagd“ (Link) hat seine Aufgabe als Trilogie-Mittelteil leider nicht vollumfänglich erfüllt. Klar, die Figuren wurden allesamt für das Finale in Stellung gebracht, aber tatsächlich hab ich nach der Lektüre gerade nicht wirklich Lust darauf... Bis irgendwann der Finalband kommt, ist meine Lust sicherlich wieder da, aber gerade bin ich nach dem hoffnungsvollen Auftaktband von der Fortsetzung eher enttäuscht :-(
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