Quizfrage: Was ist der Unique Selling Point (oder etwas uncooler auf deutsch: das Alleinstellungsmerkmal) von Steve Rogers a.k.a. Captain America? Vermutlich schwankt man bei dieser Frage zwischen den Antworten „Überbordender US-Patriotismus“ und „Kreisrundes, unzerstörbares Schutzschild, dass er jedem Bösewicht wie einen Diskus vors Fressbrett donnert“ ;-) Aber was bleibt von Captain America übrig, wenn Steve Rogers beide Alleinstellungsmerkmale verliert? Und da sind wir schon bei der Ausgangssituation der fünfteiligen Miniserie „The United States of Captain America“, welche von „Panini Comics“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) nun als 172 Seiten starker Sammelband veröffentlicht wurde. Denn zu Beginn hadert Steve mal wieder an der amerikanischen Gesamtsituation herum, bevor urplötzlich ein Doppelgänger auftaucht, der ihm seinen Schild entreißt. Er natürlich direkt hinter, gemeinsam mit seinem Superhelden-Kollegen Sam Wilson (der auch schon mal Captain America war), und dann kommt es auch schon zur ersten Konfrontation und dem Beginn eines sich über weite Teile des Comics wiederholenden Handlungskonzepts: Der Fake-Captain sorgt im ganzen Land für Zerstörung, dabei ist er Steve & Sam immer einen Schritt voraus, aber an jedem Ort findet sich ein weiterer Doppelgänger oder auch öfter mal eine Doppelgängerin, welche zu Hilfe eilen. Dabei handelt es sich allerdings um „Normalos“, also Menschen ohne Superkräfte, welche mit ihrer Kostümierung einfach nur ihrem Idol beziehungsweise den mit ihm verbundenen Idealen wie Gutherzigkeit, Hilfsbereitschaft und Volksnähe nacheifern wollen. Und das ist ein interessantes Konzept, keine Frage, und gerade die kleinen Exkurse in die wesentlich bodenständigeren Heldeneinsätze der DoppelgängerInnen (z.B. das Zurückholen eines gestohlenen Handys oder das Verhindern eines Raubüberfalls) sorgen für den Großteil der Lesefreude. Da kann die Hauptgeschichte um den gestohlenen Schild leider überhaupt nicht mithalten, die langweilt schon ab dem dritten Kapitel bzw. US-Heft mit sehr gewollt wirkenden Story-Twists, offensichtlichen Logiklücken und teils dümmlichen Dialogen. Dazu kommt eine politische Botschaft, die ich als sogenannter Gutmensch ja prinzipiell gutheiße, die den Lesenden jedoch so plump ins Gesicht gedrückt wird, dass es sogar mich nervt – Ich hab als empfohlenes Mindestalter „ab 12“ gefunden, was auch prinzipiell völlig okay ist (bis auf die nicht gezeigte, aber gutgeheißene Folterung einer Gefangenen), aber für Comic-Fans über 12 Jahren ist das Fehlen jeglicher Ambivalenz einfach zu simpel und damit zu langweilig. Immerhin, vielleicht werden die US-amerikanischen Zwölfjährigen durch „Captain Amerika: Gemeinsam vereint“ nun zu besseren Menschen, weil sie mal Minderheiten aller Art als Captain America repräsentiert sehen (wie bereits weiter oben angemerkt, das ist eine schöne Grundidee, und die Solo-Abenteuer der Doppelgänger sind auch mit Abstand die besten Episoden), weil sie hoffentlich auch Nazis echt scheiße finden und die Querreferenzen zur aktuellen US-Politik sehen. Dann hätte der Comic ja wenigstens irgendetwas richtig gemacht :-P Aber ich glaube, er wäre so viel besser gewesen, wenn man den notdürftigen „Steve sucht im ganzen Land den Schild“-Aufhänger weggelassen hätte und einfach eine Comic-Anthologie nur mit den DoppelgängerInnen herausgebracht hätte. Zeichnerisch ist der Gesamteindruck dann ebenso uneinheitlich wie erzählerisch, da gibt es teils richtig gute Sachen (auch hier überdurchschnittlich häufiger die DoppelgängerInnen-Kurzgeschichten), teils aber auch echte Enttäuschung. Gerade die Action ist dafür, dass das ein Comic über Superheldenaction ist, oft viel zu undynamisch, ja irgendwie statisch gezeichnet. Schade, wirklich schade um die eigentlich großartige Grundidee :-( Fazit: Die ersten beiden der fünf Kapitel von „Captain America: Gemeinsam vereint“ (Link) war ich noch richtig begeistert, denn das Grundkonzept kann man ja fast nicht verpfuschen, aber dann sackt die Hauptstory qualitativ dramatisch ab. Sehr schade, gerade weil es wirklich unterhaltsam war, die sehr diversen DoppelgängerInnen in sehr bodenständigen Abenteuern zu sehen. Wirklich schade!
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