Auch wenn ich hier im Blog sehr viele Comics rezensiere, ist es doch so, dass ich mich mit der Comic-Szene an sich eher wenig beschäftige. Dass bei der „Sohn von Kal El“-Reihe jedoch Twitter und sämtliche Facebook-Gruppen brannten, habe selbst ich mitbekommen. Denn Superman ist bisexuell! Erstmal natürlich ein „Herzlich Willkommen in der queeren Familie!“, aber da stellt sich natürlich die Frage: War das nur ein Marketing-Gag oder hat das inhaltliche Substanz?
Clark Kent, besser bekannt als Superman, retten ja immer wieder die Welt. Doch nun muss er ganz woanders in der Galaxie aushelfen, also ist sein Sohn Jonathan an der Reihe. Aber dieser fühlt sich noch nicht wirklich bereit für diese große Aufgabe, ist er doch mitten in seiner Adoleszenz und damit vor allem damit beschäftigt mit sich selbst klarzukommen. Denn als Superman-Sohn ist trägt er natürlich eine schwere Bürde, sodass er seine Identität gern verbergen würde. Doch schon an seinem ersten Highschool-Tag kann er einfach nicht anders, als anderen mit seinen Superkräften zu helfen, und damit die mühsam aufgebaute Tarnung auffliegen zu lassen... Also nützt ja nix, ist er nun halt der neue Superman, und da kommen gleich die ganz großen Brocken auf ihn zu: Metamenschen, die gar nicht wissen, was sie da eigentlich tun, sorgen für allerlei Chaos. Dazu kommt noch ein fieser Inselstaat-Diktator, der es auf ihn abgesehen hat, die Konfrontation mit der US-Staatsgewalt und auch noch die Liebe...
Fangen wir mal mit dem Offensichtlichsten an – Und damit meine ich auch, aber nicht explizit, den Kuss: „Sohn von Kal-El“ ist ein unglaublich politischer Superhelden-Comic. Klimawandel, schmutzige Deals mit rohstoffreichen Schurkenstaaten, Amokläufe an Schulen, strikte US-Einwanderungsgesetze und dadurch mittelbar bedingt ertrinkende Flüchtlinge – Der vielgepriesene Bestseller-Autor Tom Taylor entwickelt das Superman-Label zum linken Alptraum aller Neocons und „Ich will unpolitische Unterhaltung“-Comiclesenden ;-) Aber die meisten dieser Momente sind stark geschrieben und auch gut gezeichnet, sodass man hier durchaus seine Freunde haben wird, wenn man sich nicht an politischer (Comic-)Kunst stört – Wobei wir ja wissen, dass Kunst nie unpolitisch ist, aber das wäre jetzt ein wenig dick aufgetragen :-P
Jonathan, kurz Jon, funktioniert als neuer Superman mit einem großen Rucksack voller Selbstzweifel und dem Zerbrechen an der Tatsache, dass er nie alle retten kann, für mich gut. Damit ist er jedoch die einzige Figur, die in dieser Geschichte irgendwie funktioniert: Der Bösewicht Henry Bendix, Despot einer Klischee-Bananenrepublik, ist halt einfach nur böse. Und der Untergrund-Journalist Jay bleibt, außer dass er voll im Haltungsjournalismus & Aktivismus aufgeht, auch noch recht blass. Und gerade das ist unglaublich schlecht, denn so fühlt sich der Kuss mit Jon einfach absolut fehlplatziert an. Es gibt einfach kaum romantische Vorarbeit, als LeserIn weiß man wirklich nicht, warum die plötzlich anfangen sich zu küssen. Und das ist ärgerlich, denn es nimmt diesem Moment einfach die emotionale Wucht, die hätte sein können. Das ist einfach kein Vergleich beispielsweise mit dem ebenfalls beim DC-Verlag erschienenen Superhelden-Comic „Zeig mir das Meer“ (im Podcast (Link) besprochen ca. ab Minute 23), da liegen erzählerisch Welten dazwischen :-(
Nichtsdestotrotz hat mir „Sohn von Kal-El“ gut gefallen, auch weil die Zeichnungen hübsch anzuschauen sind und weil ich politische Comics durchaus gern lese. Von mir gibt es also einen Daumen hoch, alle Comic-Fans dürfen gern die 18 € investieren, die „Panini Comics“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) für den 156 Seiten beziehungsweise 6 US-Einzelhefte umfassenden Softcover-Sammelband haben möchte.
Fazit: Alle reden über Jons Kuss mit Jay beziehungsweise über die Tatsache, dass Superman jetzt queer ist – Um meine Frage aus der Einleitung zu beantworten: Der frühe Zeitpunkt der Enthüllung wirkt durchaus wie ein Marketing-Gag! Aber sich nur auf diesen Punkt zu fokussieren tut diesem Auftaktband doch erheblich Unrecht, denn „Superman: Sohn von Kal-El #1“ (Link) ist eigentlich ein wirklich unterhaltsamer, überraschend politischer Superhelden-Comic.