Mit dem dritten Quellenband „Raumer Handbuch“ zum SciFi-Cyberpunk-Rollenspiel „Ultima Ratio“ (oder was auch immer das für ein Genre ist, da scheiden sich die Geister ;-)) erschien für mich die sehnsüchtig erwartete Erweiterung rund um Raumschiffe. Denn sind wir mal ehrlich: Ein Überwachungsstaat-Zukunftssetting mit fremden Aliens und dystopischen Klassenkampf ist ja schon ganz schön, aber zu richtiger Science Fiction gehören für mich nun mal Raumschiffe dazu :-)
Zuerst wieder etwas Transparenz: Dieses Produkt wurde mir vom Verlag kostenlos zu Verfügung gestellt. Danke dafür! Und nun die Einstiegsfrage: Wozu braucht man Raumschiffe? Klar, um andere Raumschiffe kaputt zu schießen ;-) Aber eigentlich sind die Dinger ja dazu da, um zwischen Planeten oder sogar Sonnensystemen hin und her zu reisen. Darum befassen sich die ersten Seiten des Quellenbandes erstmal mit den verschiedenen Kolonien und Raumstationen der Spielwelt. Und davon gibt es eine ganze Menge: Angefangen von kleinen „Dörfern“ mit wenigen Siedlern, die ihr ganz eigenes soziales und wirtschaftliches Süppchen kochen über Resozialisierungskolonien für Straftäter bis hin Notfallversorgungsraumstationen werden verschiedenste potentielle Reiseziele vorgestellt.
Natürlich bedarf es aber auch einiger Handelspartner und Antagonisten, darum werden außerdem auch verschiedenste Firmen, Ordnungsbehörden und sogar Söldnerorganisationen vorgestellt. Dabei wirkt die beschriebene Spielwelt in sich schlüssig und durchdacht, man merkt deutlich dass sich der Autor Nikolas Tsamourtzis in der fast ein Jahrzehnt andauernden Entwicklungszeit richtig viele Gedanken zum Thema gemacht hat. Das klingt zwar jetzt eher nach Keksen, aber man merkt den Texten an dass sie „mit Liebe gemacht“ sind ;-)
Dann geht es aber auch wirklich los mit dem Raumschiff-Thema. Zuerst wird allgemein über die benötigt Crew und ihre Rollenverteilung, den Alltag an Bord sowie den Raumer-Kodex geschrieben. Und nun endlich, ab Seite 16, werden Raumschiffe behandelt. Diese bekommen auch einen eigenen Charakterbogen mit verschiedensten Attributen und Werten.
Bis hierhin war alles super und ich war sehr gespannt, wie viele und was für tolle Raumschiffe mir das „Raumer Handbuch“ präsentieren würde. Und hier folgte die Ernüchterung: Ganze fünf Stück! Und dann auch nur Standardkram: Drei Transporter und zwei Raumjäger. Die werden jeweils auf einer ganzen Seite erklärt und sind auch schön illustriert. Aber nur fünf Stück :-( Weiter zur Bordbewaffnung geschaut, auch nur vier Exemplare. Mag ja sein, dass ich mit Science Fiction primär Raumschlachten assoziiere und deshalb eine etwas zu eingetrübte Sicht habe, aber ich finde da hätte es ruhig ein wenig mehr sein dürfen. Und wäre es nur als Tabelle gewesen… Denn wenn ich durch die piratenverseuchte/separatistische/kriegerische Galaxie fliege, wo es verschiedene Alienrassen und eine Menge Raumschiffwerften gibt, will ich nicht immer nur auf die gleichen fünf Raumschiffe mit der immer gleichen Bewaffnung treffen :-(
Na gut, jetzt hab ich mich von den Mangelerscheinungen erholt ;-) Weiter im Text: Es folgen Kampfregeln speziell für Raumkämpfe (zusätzlich mit einer übersichtlichen Zusammenfassung der Formeln und Modifikationen – Da wurde dazugelernt :-D) und dann ein ausführlicher Teil über Geschäftliches. Was es für legale und illegale Frachten gibt, wie die bürokratischen Modalitäten sind (welche Behörde stellt welche Transferliste aus), wie werden Gewinnmargen bestimmt und welche mehr oder minder zwielichtigen Nebenverdienste gibt es im Weltraum. Achja, mein Favorit: Wie fälsche ich erfolgreich eine Bilanz?
Ein weiteres Kapitel befasst sich mit dem Thema Raumreisen und was da alles so schiefgehen kann (ok, jetzt mag ich Raumschiffe doch nicht mehr so :-P) und schließlich folgen noch ein paar typische Archetypen mitsamt Charakterwerten (beispielsweise Dockarbeiter, Quacksalber und Zöllner) sowie zwei Völkervorstellungen und eine Kopiervorlage.
Fazit: Ich war von den vorherigen beiden Quellenbänden ja schon sehr angetan. Aber das 12,95 € teure „Raumer Handbuch“ legt qualitativ nochmal deutlich eine Schippe drauf. Die Texte auf den 52 vollfarbigen DIN-A4-Seiten sind sehr gut lesbar, gut lektoriert und übersichtlich gelayoutet. Die Regelerweiterungen sind stimmig und übersichtlich dargestellt – Auch wenn ich mit jeder neuen Formel „Ultima Ratio“ weniger als Erzählspiel und mehr als simulatives System kategorisieren würde. Wenn ich mir persönlich auch mehr und fremdartigere Raumschiffe und Waffen gewünscht hätte, kann ich trotz dessen nicht anders das „Raumer Handbuch“ als qualitativ bisher beste Erweiterung anzupreisen.