Barbara hat ein Geheimnis: Die Schülerin (die hoffentlich schon volljährig ist, sonst hätte dieser Comic ein ziemliches Geschmäckle) verdient sich ein ordentliches Taschengeld als Camgirl dazu. Viel mehr als der monetäre Aspekt interessiert sie jedoch die Anerkennung, die sie von gaffenden Typen am anderen Ende der Internetleitung erhält. Gern würde sie darüber reden, aber da Sexarbeit aller Art noch immer mit einem sozialen Stigma behaftet ist, gerade wenn man noch zur Schule geht (ich hoffe sowas von inständig, dass sie volljährig ist, sonst wäre die Geschichte noch problematischer), entwickelt sie eine alternative Idee: Ein Buch der Geständnisse, in welches man anonym die Wahrheit offenbaren kann. Insgesamt ein harmloser Spaß, aber dann gesteht irgendwer einen Mord! Ist es nun eine Lüge oder doch die Wahrheit? Gemeinsam mit ihren beiden Freundinnen Lorena und Xiana beginnt Barbara zu ermitteln, womit sie jedoch die Aufmerksamkeit des Killers auf sich zieht. Und der kennt ihre geheime Camgirl-Identität... „Geständnisse“ startet mit einer überaus interessanten Prämisse, verläuft sich jedoch immer weiter in einem unausgegorenen Genre-Mischmasch. Und um den zu erklären, muss ich ab jetzt auf ein paar spätere Story-Twists eingehen, weshalb ihr hiermit eine offizielle Spoiler-Warnung erhaltet ;-) Also „Geständnisse“ startet als typisches Jugenddetektiv-Abenteuer, nur mit einer etwas „erwachseneren“ Tonalität, da hier Sex und Mord die Eckpfeiler der Geschichte sind. Das Mädelstrio ermittelt und kommt erstaunlich gut voran, wobei Barbara immer ein wenig abgelenkt ist von dem Gedanken, dass sie ihre Camgirl-Identität vor ihrer Mutter, ihren Freundinnen und dem Rest der Welt verheimlichen muss. Diese ständige Angst vor dem Entdecktwerden bringt der Autor Fernando Llor gut rüber, da muss ich mal ein Lob aussprechen, weil viel Lob kommt gleich nicht mehr :-P Nach knapp über einem Drittel des 104 Seiten starken Taschenbüchleins, und hier kommt zum zweiten Mal eine Spoilerwarnung, wechselt die Geschichte dann plötzlich die Perspektive. Erzählt wird nun in aller Ausführlichkeit aus Sicht des Mörders. Das ist insofern schwer verdaulich, weil dem Täter hier in seiner Rechtfertigung so viel Raum eingeräumt wird, dass man fast von einer Täter-Opfer-Umkehr sprechen kann. Ich will hier keine Geschlechterdebatte aufmachen, aber ich möchte die wagemutige These in den Raum werfen, dass dieses Schlüsselereignis aus einer weiblichen Perspektive anders thematisiert worden wäre... Nun könnte man natürlich hineininterpretieren, dass der Autor ja verschiedene Genres vermischt und das daher ein Rape-&-Revenge-Element wäre – Was ein naheliegender Gedanke ist, da dies ja ein Subgenre des Exploitationsgenres ist. Und der Fokus auf Sex und Gewalt stellt ja tatsächlich ein Hauptmerkmal der „Geständnisse“-Handlung dar. Hier fehlt aber der feministische 3. Akt der Selbstermächtigung des Opfers, sodass dieser mit sexueller Gewalt einhergehende Femizid nur ein billiger Schockeffekt ist. Dem nicht genug gleitet „Geständnisse“ im letzten Drittel dann ins Übernatürliche ab, gespickt mit Horror-Elementen. Das ist ein eigentlich interessanter Wendepunkt, der vorher auch vorbereitet wurde (wobei man viele der Andeutungen erst beim zweiten Lesedurchgang entdeckt), um die Geschichte zu einem dramatischen, actionreichen Finale zu führen. Dieses endet jedoch so abrupt, dass man das Gefühl bekommt, als würden einfach die letzten paar Seiten fehlen :-( Nochmal Spoilerwarnung! Gerade noch gejagt von den Sektenanhängern, bekämpfen sie jeweils einen „Endgegner“, dann sagt Lorena quasi „Ist gut jetzt Barbara, lass die Waffe fallen, wie geht jetzt heim!“ und dann wird auf den Epilog geschnitten. Das ist arg schwaches Storytelling, denn selbst wenn die restliche Sekte aus heiterem Himmel das komplette Interesse an den Protagonistinnen verlieren würde (die ja nun ihre Geheimnisse, ihre Identitäten und den mächtigen Gegenstand kennen), dann steht ein „Endgegner“ ungefähr 5 Meter neben den Protagonistinnen und ignoriert seinen Tötungsauftrag jetzt also, weil eine Zielperson sagt, dass sie jetzt heim gehen will? Was zum Teufel habe ich da für einen Quatsch gelesen??? Also klar, das könnte jetzt eine Metapher sein, weil die jeweiligen „Endgegner“ in Verbindung zu den Protagonistinnen stehen und somit ein Hindernis repräsentieren, aber logisch ist das halt absolut nicht. Ich könnte mich jetzt noch mehr in Wut schreiben, jedoch gebe ich diesem Machwerk damit mehr Aufmerksamkeit, als es eigentlich verdient hat. Aber immerhin will ich den Zeichner Román López-Cabrera loben, der macht schon einen ordentlichen Job (auch wenn man sich, da schwarz-weiß, manchmal konzentrieren muss, wer hier wer ist), aber selbst die atmosphärischen Zeichnungen retten halt keine miese Geschichte... Man muss also schon ein großes Herz für Mystery-Krimis haben, um die 15 € zu investieren, die der „Zwerchfell Verlag“ (der mir mutigerweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) für das Taschenbüchlein haben möchte. Fazit: „Geständnisse“ (Link) hat eine sehr spannende Ausgangslage und atmosphärische Zeichnungen, sehr fragwürdige Story-Entscheidungen ziehen den Gesamteindruck aber stark runter :-(
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