Mittlerweile zum sechsten Mal erlauben es die Comic-Spielbücher aus dem Hause „Pegasus“, dass man in die Rolle von Meisterdetektiv Sherlock Holmes, seinem treuen Gefährten Dr. Watson oder gelegentlich auch einer dritten Figur schlüpft, um knifflige Kriminalfälle aufzuklären. Diese schwankten bisher zwar qualitativ, für ein paar Stündchen Rätselspaß waren sie aber allesamt gut. Mit „Übernatürliche Ermittlungen“ darf man sich nun an besonders obskuren Fällen versuchen...
Drei Fälle enthält das 215 Abschnitte dicke Comic-Spielbuch, zu denen Sherlock & Co zu Hilfe gerufen werden:
- Der Fall des Werwolfes von Norfolk wirkt fast schon zu einfach, denn der Mörder bekennt sich freimütig zu seinen Taten, die er bei Vollmond begangen hat. Aber Werwölfe gibt es doch nicht wirklich, oder? - Eine echte Kopfnuss ist Der Fall der rachsüchtigen Mumie, denn hier müssen gleich zwei Mordfälle aufgeklärt werden. - Dagegen ist Der Fall des Spukhauses fast schon klassische Krimikost, in welcher der überaus nüchtern und analytisch vorgehende Sherlock Holmes mit einem Chaos verursachenden Geist konfrontiert ist.Nun ist es vermutlich kein Spoiler, sondern eher Genre-Standard, dass hinter diesen obskuren Kriminalfällen eben doch keine übernatürlichen Wesen stecken, sondern niederträchtige Menschen. Nichtsdestotrotz hat Sherlock Homes, neben seinem diesmal etwas einfältig dargestellten Gefährten Dr. Watson, erneut einen zweiten Sidekick mit dabei: Thomas Carnacki (Link), quasi Sherlocks okkulter Gegenentwurf, glänzt immer mal wieder mit seiner fachlichen Geister-Expertise. Damit steht er im krassen Gegensatz zum rationalen Deduktionsgenie Holmes, was leider viel zu selten humorvoll ausgenutzt wird. Einen Glanzmoment möchte ich dann aber doch beschreiben, da er gut die Dynamik innerhalb des Trios widerspiegelt: In einem Turmzimmer spürt Dr. Watson einen Hauch und schiebt krass Panik, weil es ja ein Mördergeist sein muss. Carnacki kann dann mit seinem Esoterik-Fachwissen auspendeln, dass es gar kein Geist war, während Holmes die wahre Ursache des Windhauchs deduziert. Von dem neuen Mitglied des Ermittlungsteams mal abgesehen hat sich hier im Vergleich zu den Vorgängerbänden aber nichts getan, denn „Übernatürliche Ermittlungen“ ist halt ein klassisches Comic-Spielbuch: Am Ende eines Abschnitts, der meist nur ein Comic-Panel umfasst, sind oft mehrere Nummern eingezeichnet. Dann wählt man eine aus und liest im entsprechenden Abschnitt weiter. Dabei verstecken die für die Ermittlungen relevanten Hinweise jedoch oft hinter sehr versteckt gezeichneten Nummern, die teilweise so klein oder kontrastarm gedruckt sind, dass man wirklich eine Lupe verwenden muss – Es gibt einige Abschnittsnummern, die habe ich bis heute nicht gefunden oder erkennen können ;-) Das erhöht den Schwierigkeitsgrad leider sehr, zumindest wenn man eine perfekte Wertung will. Denn die „grobe“ Auflösung der Fälle, also beispielsweise wer sich als Geist ausgibt, sollten selbst Kinder mit dem empfohlenen Mindestalter 10+ irgendwie rausbekommen. Für eine richtig gute Wertung muss man aber noch kniffligere Fragen beantworten (z.B. in welchem Verhältnis stehen Figur X & Y zueinander?) und versteckte Pentagramme sammeln. Zwei Sätze vorher habe ich ja das (laut Angabe eines großkapitalistischen Online-Buchhändlers ;-)) empfohlene Mindestalter erwähnt. Vielleicht ist das noch ein wenig früh, immerhin geht es hier um blutige Morde. Andererseits jedoch sind die Zeichnungen wieder sehr comichaft gehalten; die übersteigerte Mimik und die großen Augen sollten dafür sorgen, dass Kinder hier nicht verängstigt werden. Um also den quengelnden Teenager-Nachwuchs für zwei Stunden ruhig zu stellen, kann man durchaus die 14,95 € investieren, welche der „Pegasus Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) für das Hardcover mit Lesebändchen verlangt. Wer aber noch nie ein Comic-Spielbuch ausprobiert hat, ist mit dem bisherigen Serien-Highlight „Auf den Spuren von Jack the Ripper“ (Link) allerdings besser bedient, da der Schwierigkeitsgrad und damit die Frustgefahr nicht so hoch ist. Fazit: „Sherlock Holmes #6 Übernatürliche Ermittlungen“ (Link) reiht sich nahtlos in die insgesamt gute Comic-Spielbuchreihe ein, der Schwierigkeitsgrad ist aufgrund einiger sehr versteckter Abschnittsnummern jedoch überraschend hoch.