Woran denken wir beim Begriff „Cyberpunk“? Vermutlich an düstere Ghetto-Großstädte mit ganz viel Neonlicht, fortschrittlichster Technologie und ausuferndem Kapitalismus – Von dieser Genre-Beschreibung ist die „Travis“-Reihe ja nie weit entfernt gewesen; doch hatte man stets das Gefühl, dass der großartige Comic-Autor Fred Duval (u.a. die Hopepunk-Trilogie „Reset“ (Link) und die Schwester-Reihe „Carmen Mc Callum“ (Link)) seine Geschichten an Handlungsorten weitab der üblichen Klischees ansiedelte. Klar ging es auch mal in die Großstadt (etwa, um New York zu retten (Link)) oder in den Weltraum (Link), doch der bodenständige Travis war sich auch nie zu fein, um mal ein kleines Dörfchen vor der Gentrifizierung zu retten (Link)... Und weil der Protagonist eben so ein barmherziger Samariter ist, fliegt er im vierten Zyklus (Link) nun Rettungsmissionen im atomverseuchten Mexiko. Ob Cyberpunk im Dschungel wirklich spannend ist?
Tatsächlich trat der titelgebende Protagonist in diesem vierten Zyklus, wie schon auch im dritten Zyklus, bisher ja merklich zurück. Im Fokus stand sein ehemaliger Erzfeind Vlad Nyrki, der sich mittlerweile in seiner neuen Rolle als Weltenretter ganz gut gefiel und deshalb auch nicht zögerte, den in Mexiko vermissten Travis zu suchen. Dort erlebte er ein vom Bürgerkrieg zerstörtes Land, in dem die UNO-Blauhelmtruppen und verschiedene Konzernsicherheitsdienste den Krieg gegen die Drogenbarone verloren. Dass da auch noch wild gewordene Künstliche Intelligenzen mitmischten – das große Metathema in vielen Serien von Fred Duval – machte die Suche nach dem Titelhelden natürlich auch nicht einfacher... Im 13. Band, der den vierten Zyklus abschließt, haben sich die beiden Protagonisten zwar wiedergefunden, doch umzingelt von einer riesigen Armee Roboter sitzen sie wieder mal in der Falle. Ein Glück, dass ihre Schießkünste und ihr Hackerfreund Pacman (der hier, wie auch in der Schwesterreihe „Carmen Mc Callum“, langsam zur mit Abstand wichtigsten Nebenfigur aufgestiegen ist) sie auch diesmal nicht im Stich lassen... Ebenfalls in beiden Reihe präsent ist die Journalistin Elena Dinova, welche für den größten mexikanischen Drogenboss als PR-Frau arbeiten soll, da dieser als Mexikos neuer Herrscher das entstandene Machtvakuum füllen will. Doch nicht nur einige Großkonzerne, sondern auch die USA haben da was dagegen...
Der 13. „Travis“-Band „Quetzalcoatl“ bietet wieder all das, was die Fans der Reihe so mögen: Eine glaubwürdige Near-Future-Dystopie mit zahlreichen Cyberpunk-Elementen, in denen der Titelheld sowie seine Verbündeten für ein klein wenig Ordnung im großen Chaos der neoliberalen Weltpolitik sorgen. Zudem wird der KI-Metaplot weiter fortgeführt, sodass man schon mit Spannung auf den nächsten Zyklus wartet ;-) Die Präsentation ist wieder auf einem guten Niveau, gerade die Illustrationen sind in den meisten Fällen gelungen. Die Qualität der Kolorierung schwankt dagegen leicht, sodass sich sehr atmosphärische Szenen abwechseln mit einigen wenigen schwachen Momenten, die jedoch den begeisterten Gesamteindruck dieses 4. Zyklus nur geringfügig trüben... Ich bleibe also bei meiner Meinung: Diese beiden Cyberpunk-Serien von Fred Duval sind mit Abstand die besten Comic-Reihen, die der kleine Augsburger Verlag „Bunte Dimensionen“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) hier im Programm hat!
Fazit: „Travis #13 Quetzalcoatl“ (Link) ist der Abschlussband des 4. Zyklus und bietet noch einmal 48 Seiten actionreiche Near-Future-Dystopie :-D