„Pegasus Spiele“ hat ja schon eine ganze Reihe an (Detektiv-)Spielbüchern im Sortiment, welche knifflige Kriminalfälle im niedlichen Comic-Design bieten. Normalerweise sind diese nur für eine Person gedacht, doch mit „Sherlock Holmes: Die Nachwuchs-Investigatoren“ gibt es nun erstmals eine Mehrspieler-Variante dieser beliebten Solo-Spielbücher. Ob mehr SpielerInnen auch mehr Spaß bedeuten? Der berühmte Detektiv Sherlock Holmes hat, man kennt es beispielsweise aus verschiedensten Verfilmungen, keine Lust auf popelige Normalo-Kriminalfälle. Das ist ein großes Glück für die vier Straßenkinder Ike, Vicky, Wiggins und Myrtle, welche in seinem Auftrag einen übernatürlichen Diebstahl untersuchen sollen. Weil er aber erst einmal ihre Fähigkeiten testen will, müssen sie zu Beginn einfach nur ein Telegramm verschicken und dann eine Aktentasche abholen – Was jetzt wirklich popelig klingt, aber bereits hinter diesen beiden Aufträgen verstecken sich allerlei Rätsel. Und dann gibt es noch den Schauplatz London, durch dessen verwinkelte Gassen die Kinder nicht nur den richtigen Weg finden müssen, sondern der auch noch ein paar mehr Rätsel bereithält. Spielmechanisch unterscheidet sich „Sherlock Holmes: Die Nachwuchs-Investigatoren“ dabei nur wenig von anderen Comic-Spielbüchern: Auf vielen der Comic-Panelen sind Zahlen abgedruckt, die zu anderen Abschnitten verweisen, an welchen man die Geschichte dann fortsetzt. Beispielsweise, wenn man vor der Tür des Notars im Abschnitt 147 steht, kann man sich entscheiden, ob man bei 178 (Klingel benutzen) weiterliest, bei 226 (ums Haus schleichen) oder bei 67 (weggehen). Immer mal wieder kommt man dabei zu Abschnitten, bei denen man erst ein Zahlenrätsel lösen muss (daher, z.B. der Tresor wird geöffnet, wenn man beim richtigen Abschnitt weiterliest) oder wenn man einen bestimmten Gegenstand besitzt. Die Mehrspieler-Komponente besteht nun darin, dass bis zu vier SpielerInnen jeweils ihr eigenes Spielbuch besitzen, in welchem sie eine der vier ProtagonistInnen verkörpern: Ike ist sehr stark, Vicky besonders beweglich, Wiggings besonders aufmerksam und Myrtle kann sich perfekt verkleiden. Durch die verschiedenen Fähigkeiten ist es nötig, dass die SpielerInnen zusammenarbeiten, denn manche Handlungsoptionen oder -Informationen gibt es nur, wenn die Figur darauf spezialisiert ist. Das hat zwar den Vorteil, dass man eng zusammenarbeiten muss (z.B. indem man den anderen MitspielerInnen genau beschreibt, was man in seinem Comic-Panel sieht), aber auch den Nachteil, dass man bei geringerer SpielerInnen-Anzahl und der „falschen“ ProtagonistInnen-Auswahl manchmal wichtige Informationen verpasst. Beispielsweise kann im ersten Fall nur der aufmerksame Wiggins sehen, dass eine Person ein verdächtiges Zeichen trägt. Ist dieser also nicht dabei, versteht man gar nicht, warum man die Option zum Anlügen hat und warum diese Person später seine Verbrecher-Komplizen dazu holt, obwohl man doch nur höflichst eine Dienstleistung in Anspruch nehmen wollte – Das war jetzt so schwammig formuliert, da sollte niemand gespoilert worden sein ;-) Die drei Kriminalfälle haben dabei einen angenehm unterschiedlichen Fokus: „Das Telegramm“ ist im Prinzip nur eine kleine Transportmission, in der man das grundlegende Spielprinzip kennenlernt. „Die Villa“ ist dann ein Escape Room, bei dem man unter Zeitdruck immer neue Rätsel lösen muss. Erst der dritte Fall „Die Prophezeiung“ ist ein richtiges Detektiv-Abenteuer, bei dem man Verdächtige befragen und Indizien sammeln muss. Dabei ist der Schwierigkeitsgrad gemischt, gerade durch die ersten beiden Fälle kommt man locker durch (wobei im zweiten Fall der Zeitdruck etwas knapp bemessen ist, wenn man redefreudige SpielerInnen hat). Beim Code-Knacken im dritten Fall und bei einem Mathematik-Rätsel im zweiten Fall (dessen Lösung laut einer kurzen Suchmaschinen-Abfrage je nach Bundesland zwischen der 3. und 6. Klasse gelehrt wird – sehr peinlich ;-)) haben wir beim Testspielen dann aber ordentlich Zeit verstreichen lassen, sodass die Gesamtspieldauer aller drei Fälle insgesamt etwas über drei Stunden betrug. Das vom Verlag (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) angegebene Mindestalter von 8 Jahren geht daher prinzipiell in Ordnung, aber nur wenn man ein älteres Familienmitglied am Tisch hat, das miträtselt. Ansonsten geht die comichafte Aufmachung und der Schwierigkeitsgrad der Texte für ältere Grundschulkinder in Ordnung. Fazit: „Sherlock Holmes: Die Nachwuchs-Investigatoren“ (Link) kann man zwar auch alleine spielen, dann ist es halt ein eher unspektakuläres und (weil man manchmal wichtige Hinweise verpasst) unbefriedigendes Solo-Spielbuch. Spielt man es jedoch mit voller Besetzung, hat man hier ein wirklich unterhaltsames Familienspiel, welches kindgerechte Kriminalfälle mit einem simplen, aber ansehnlichen Comic-Look und mitunter kniffligen Rätseln verbindet.