Die französische Kampfflieger-Reihe „Team Rafale“ gehört für mich zu den Comicserien mit der größten Dissonanz zwischen dem lautstark angepriesenen Selbstverständnis und dem tatsächlichen Inhalt: Denn die Fliegerei-Stories der beiden PilotInnen Tom Nolane und Jessica Nate waren nur in den seltensten Fällen seriös-realistisch (nämlich im fast schon dokumentarisch anmutenden „Kriegsschatz“ (Link)), sondern vielmehr testosterongeschwängerte, knallig überdrehte Militär-Action mit einem Hauch von 007-Spionage – Aber das muss ja nicht schlecht sein!
Während die ersten beiden Bände „Präsentation Alpha“ (Link) und „Kriegsschatz“ (hab ich eigentlich schon erwähnt, wie großartig dieser zweite Band ist?) noch ziemlich für sich allein stehende Geschichten erzählten, die lediglich von einem leichten Politik-Metaplot durchzogen waren, endete der dritte Band „Operation Nexus One“ (Link) mit einen harten Cliffhanger: Während eines fehlgeschlagenen Einsatzes in Afghanistan, bei dem die Fliegertruppe des Geschwaders 1/7 Provence einen abgestürzten Spionagesatelliten (bzw. den darin enthalten Mikrochip-Prototyp) wegbomben sollte, wird ein Teammitglied von einer sexy Verführerin vergiftet und entführt. Tom und Jessica nehmen todesmutig die Verfolgung auf und werden rasch von den schwer bewaffneten Taliban umzingelt... So endet der dritte Band und so geht es im vierten Band auch gleich weiter: Allerlei Straßenkämpfe zwischen verschanzten Taliban auf der einen Seite und französischen Kampfhelikoptern und gepanzerten Rettungstrupps der Bundeswehr auf der anderen Seite, dazwischen die ProtagonistInnen auf der Suche nach ihrem entführten Kameraden – Das hat schon irgendwie so ein „Blackhawk Down“-Feeling, nur dass die alliierten Verluste in einem französischen Militär-Comic natürlich deutlich geringer sind :-P Der Kamerad wird jedenfalls gerettet und alsbald kommt man zu dem Schluss, dass hier hochgerüstete Akteure (chinesische Geheimagenten & Elitetruppen, aber auch ein internationaler Waffenhändler) keinerlei Kompromisse eingehen, um an den Mikrochip-Prototyp heranzukommen.
Nun will ich nicht groß spoilern (jedenfalls nicht mehr als das Titelbild ;-)), aber letztlich gelangt der Mikrochip-Prototyp doch in die Hände eines Bösewichts und der flieht mit einer Jak-38U in Richtung der iranischen Grenze. Nachdem sie aber schon im letzten Band versagt haben, setzen die französischen JagdfliegerInnen diesmal alles daran ihr Ziel zu erreichen. Das führt zu einem tödlichen Luftkampf, den ich als den spannendsten des gesamten Reihe lobend herausstellen möchte. Denn der Pilot der Jak-38U ist ein echtes Ass und weiß genau, wie er die Vorzüge seines technisch eigentlich unterlegenen Senkrechtsstarters in den engen Gebirgsschluchten ausspielen muss. Fans von äußerst detailliert in Szene gesetztem Kriegsgerät werden hier also definitiv begeistert sein und sicherlich auch ein paar gröbere Unstimmigkeiten ignorieren – Laut meiner Wikipedia-Recherche (Link) ist die Jak-38U eigentlich unbewaffnet, selbst die bewaffnete Variante hat nicht so viele Raketen und die Flugreichweite ist auch ziemlich optimistisch ;-) Und dass die chinesischen Kommandotruppen die Finte der Franzosen nicht mitbekommen ist eher lachhaft – Irgendwer von den 50 Leuten, wenigsten die Scharfschützen (deren verdammter Job doch die Beobachtung ist), wird ja wohl den Trupp die ganze Zeit im Auge behalten...
Aber egal, das ist halt die zweckmäßige Logik einer Actiongeschichte. Hier stehen dramatische Kämpfe und spektakulär in Szene gesetztes Kriegsgerät im Vordergrund, da braucht man weder ausgearbeitete ProtagonistInnen (das hat die Reihe selbst nach vier Bänden nicht geschafft) noch tiefgründige Geschichten – „Treibjagd in Afghanistan“ macht einfach Spaß und ist, trotz aller Schwächen (die nicht so auffallen würden, wenn die Reihe nicht so ein seriös-realistisches Selbstverständnis hätte), der bisher unterhaltsamste Band der gesamten Reihe. Die Mischung der einzelnen Zutaten (viele sehr gute Luft- und Bodenkämpfe, ein wenig 007-Geheimdienstkram und Politik-/Wirtschaft-/Waffenhandel-Metaplot, dazu sehenswerte Zeichnungen) ist einfach hervorragend gelungen!
Fazit: „Team Rafale #4 Treibjagd in Afghanistan“ (Link) pfeift auf sämtliche Seriösität und ist trotzdem (oder deshalb?) der beste Band der ohnehin besten Fliegerei-Serie von „Bunte Dimensionen“ :-D