Na, weiß jemand (ohne nachzuschauen), wer Anfang der 2000er unsere Bildungsministerin war? Und was die heute so macht? Okay, das weiß ich auch nicht, dafür kenne ich jetzt aber den ehemaligen französischen Bildungsminister Luc Ferry. Denn der produziert mit „Mythen der Antike“ eine ganze Reihe an Historien-Comics, die sich mit den großen Sagen der griechischen Mythologie befassen. Der aktuellste Band gehört zu mit 168 Seiten zu den Mammutwerken der Reihe und befasst sich mit dem Leben des Halbgottes Herakles. Herakles, hierzulande sicher noch etwas bekannter als Herkules, war der Sohn des Göttervaters Zeus, der ihn der bildschönen Alkmene unterjubelte. Eigentlich hätte der unglaublich starke, aber auch arg jähzornige Halbgott auf Erden ein feines Leben haben können als Bewahrer der kosmischen Ordnung, doch die von Zeus vielfach betrogene Hera hatte so ihre Probleme mit dem Bastard und stellt sich seinem Erfolg immer wieder in den Weg: Erst überzieht sie ihn mit Wahnsinn, sodass er seine Kinder tötet, dann stellt sie ihm zwölf unmögliche Aufgaben – Und die oft brutale, manchmal auch kluge Absolvierung eben jener Aufgaben, die er zum Ruhm von Heras übernimmt (daher die Herkunft seines Namens), machen ihn so berühmt, dass das Wissen darum heutzutage immer noch zur humanistischen Bildung gezählt wird... Und das offenbart zugegebenermaßen die Doppelmoralität von so manchen KulturliebhaberInnen: Nur weil diese Geschichten mehrere tausend Jahre alt sind, gelten sie trotz ihrer arg problematischen Inhalte (brutalste Gewalt auch an Kindern, toxische Maskulinität, Vergewaltigung noch und nöcher) als allgemeinbildende Klassiker, die quasi humanistische Pflichtlektüre sind. Geschichten gleichen Inhalts, die erst in der Neuzeit verfasst wurden – man denke etwa an „Das Lied von Eis und Feuer“ – gelten dagegen bei den gleichen RezipientInnen als Fantasy-Schund. Man verzeihe mir diesen kleinen wütenden Exkurs, dafür können Luc Ferry und sein Kreativteam (u.a. Clotilde Bruneau und Carlos Rafael Duarte) nichts. Die leisten allesamt gute Arbeit: Die Geschichte an sich, mit ihren vielen großen und kleinen Abenteuern, ist unterhaltsam geschrieben und die Zeichnungen sind auf einem hohen Niveau. Der von Luc Ferry selbst verfasste, umfangreiche Bonustext ordnet die Sage dann noch ausführlich populärwissenschaftlich ein und erlaubt damit den LeserInnen, den gerade gesehenen Bilderreigen noch einmal mit mehr Hintergrundinformationen und einem Interpretationsansatz einzuordnen. Also ein wirklich tolles Werk, dass man in dieser Form sicherlich auch problemlos im gymnasialen Unterricht einsetzen kann. Damit beweist der „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) einmal mehr, dass Comics durchaus zu einer humanistischen Allgemeinbildung beitragen können :-) Fazit: „Mythen der Antike: Herakles“ (Link) kann man sich sowohl als versnobter Bildungsbürger als auch als „normaler“ Fan hübsch gezeichneter Fantasy-Comics ins Regal stellen ;-)
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