Die aus fünf Einzelbänden bestehende „Conquest“-Anthologiereihe hat sich ja mittlerweile zu einem gar nicht mehr so geheimen Geheimtipp für SciFi-Fans entwickelt. Denn die wechselnden Kreativteams (hier wieder mit Autor Jean-Luc Istin, der schon den großartigen Auftaktband geschrieben hat) deckten unter dem identischen Grundthema „Menschen als Alien-Invasoren“ doch eine ziemlich breite Palette an SciFi-Untergenres ab: Was würde die LeserInnen nun nach Military-Scifi (Link), Planetenkolonisierungsfamiliendrama (Link) und Japano-SciFi (Link) erwarten? Vielleicht sollte man hier aber nicht nach dem „Was“, sondern nach dem „Wer“ fragen. Denn jeder Band ist einer anderen Nationalität zugeordnet, beispielsweise waren die deutschen RaumfahrerInnen natürlich ganz klischeehaft die Weltraum-Nazis ;-) Klischeehaft geht es auch im vierten Band „Urania“ weiter, denn diesmal begleiten die LeserInnen die Abenteuer der US-amerikanischen Flotte. Und weil die ja angeblich alle so schießwütig sind und weil ihre autonomen KI-Waffensysteme uns irgendwann mal alle umbringen, gibt es in diesem Band die volle Ladung Ballerei-Action gegen eine sich verselbstständigende Künstliche Intelligenz. Dazu kommt natürlich noch die Rettung durch die amerikanische Selfmade-Mentalität... Das klang jetzt vielleicht ein wenig spöttisch, vielleicht war es das sogar, aber andererseits machen mir ja auch manche Kinofilme von Michael Bay richtig viel Spaß. Also einfach mal den Kopf ausschalten und das Feuerwerk genießen... Die amerikanische Raumflotte, die wie die anderen „Conquest“-Flotten auch auf der Suche nach einem neuen Heimatplaneten ist, hat den Wüstenplanet Urania erreicht. Der ist, bis auf ein paar Wildtiere, völlig unbewohnt – Aber warum? Denn es gibt dort einige verlassene Großstädte, die auf eine hochentwickelte Lebensform hinweisen. Herausfinden sollen das u.a. ein paar WissenschaftlerInnen, welche von ein paar MarinesoldatInnen begleitet werden. Zu diesen gehört die Cyborgfrau Coks, die einerseits zwar hochintelligent und sehr kampfstark ist, die als jahrelanges Mobbingopfer andererseits aber auch sehr zurückhaltend und abweisend agiert. Schnell findet dieser kleine Erkundungstrupp heraus, dass sich eine von den ursprünglichen PlanetenbewohnerInnen selbst geschaffene Künstliche Intelligenz gegen ihre SchöpferInnen gestellt hat. Da sie nun nichts mehr zu tun hat, als einfach vor sich hinzuvegetieren, zwingt sie den menschlichen Eindringlingen ein tödliches Spiel auf: Mit ihren Roboter-Gorillas und allerlei schweren Fahrzeugen und Waffen beginnt sie eine planetenweite Menschenjagd! Als echte AmerikanerInnen lassen sich das die Menschen aber natürlich nicht bieten, sodass es am Ende zu einer epischen Endschlacht kommt – Diese 64 Seiten lange Graphic Novel hätte wirklich von Michael Bay höchstpersönlich inszeniert sein können ;-) Aber das ist gar kein Malus, denn die Aneinanderreihung von dramatischen Actionszenen, unterbrochen von einigen menschelnden Kindheitserinnerungen, machen wirklich Spaß. Eine tiefgründige Geschichte oder gar tiefgründige Charaktere sollte man dafür aber nicht erwarten. Gerade die Protagonistin Coks ist fast schon schluderig unterkomplex: Ja, sie wurde früher wegen ihrer körperlichen Einschränkungen gemobbt, aber das macht ihr Verhalten nicht sympathisch. Und ja, sie ist so unglaublich klug, dass sie sich einen Roboterfreund gebaut hat, aber trotzdem kommen hier nicht ein einziges Mal irgendwelche Emotionen bei den LeserInnen an. Stattdessen zieht man fast schon ungläubig die Augenbrauen hoch, weil Coks in dieser „Kleiner Soldatentrupp muss gegen den Rest der Welt überleben“-Geschichte als waschechte "Mary Sue"-Superheldin agiert, ohne die der Rest der Menschheit schon nach fünf Minuten verloren gewesen wäre. Ganz zu schweigen von fragwürdigen Handlungsmomenten wie „Ich programmiere den außerirdischen Gorilla-Roboter mit völlig unbekannter Hightech-Technologie einfach um, indem ich drei Kabel umstecke und da dann den zufällig in meiner Tasche befindlichen Mikrochip meines Roboterfreundes reinquetsche...“ – Also ja, „Urania“ ist nicht sehr komplex und mit gelegentlichen Logiklöchern gespickt, aber es macht verdammt Spaß :-D Die Zeichnungen sind, gerade auch wegen der atmosphärischen Kolorierung, wirklich schön anzuschauen und in die Inszenierung ist so vorwärtsdrängend, dass man gar nicht anders kann, als diese Graphic Novel in einem Rutsch durchzulesen. Der „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) hat hier also ein ideales Produkt auf den Markt gebracht, um Actionfilm-Fans sehr niedrigschwellig zum Comic-Medium herüberzuleiten. Da geht dann auch der Preis von 16 € völlig in Ordnung. Fazit: Sind wir ehrlich, wer hätte gedacht, dass ich eine Graphic Novel mit so einer unterkomplexen Handlung so abfeiern würde? Hier gilt style over substance, denn „Conquest #4 Urania“ (Link) ist perfektes Popcorn-Kino in Comicform!
Tags