Survival-Horrorfilme, in denen eine oder mehrere ProtagonistInnen vor blutrünstigen, nicht immer menschlichen Jägern fliehen müssen, erfreuen sich nach wie vor einer sich mir nicht offenbarenden Beliebtheit (beispielsweise ist ja „The Hunt“ einer der gehyptesten Filme des Jahres). Seinen Ursprung hat dieses Genre u.a. bei der preisgekrönten Kurzgeschichte „The Most Dangeous Game“ von 1924 beziehungsweise deren Verfilmung von 1932. Mit „Zaroff“ publiziert der renommierte „Splitter Verlag“, der ja bekanntermaßen laut Firmenleitspruch „Comics für Erwachsene“ produziert, nun den inoffiziellen Nachfolger.
Eine einsame Insel vor der Küste Brasiliens: Hier veranstaltet der russische Graf Zaroff sadistische Treibjagden. Seine Opfer sind Schiffbrüchige, die er mit falschen Leuchtsignalen in tückische Riffe lockt. Bisher war er immer erfolgreich, doch der Großwildjäger Rainsford kann ihm nicht nur entkommen, sondern ihn auch noch von seinen Bluthunden zerfleischen lassen... Oder etwa doch nicht? Hier endet die legendäre Kurzgeschichte beziehungsweise beginnt der Comic-Nachfolger: Zaroff hat überlebt und sich eine neue Jagdinsel vor der Küste Venezuelas aufgebaut. Doch die Lust auf die Menschenjagd ist ihm vergangen, stattdessen plant er eine Konterrevolution in der Sowjetunion. Aber dazu kommt es nicht, denn einer seiner früheren Jagdopfer war ein gefürchteter Mafia-Pate aus Boston. Und dessen Tochter, ausgestattet mit einer kleinen Armee an Mafiosi, will Rache! Deshalb veranstaltet sie eine ganz eigene Menschenjagd: Sie setzt Zaroffs verlorene Schwester mitsamt deren Familie auf seiner Insel aus, um die gesamte Zaroff-Blutlinie auszulöschen. Aus dem Erfolgsjäger wird daher der Gejagte...
Tja, das ist jetzt kein innovativer Plot, sondern eine ganz klassische Genre-Geschichte: Jäger und Gejagte schenken sich bei ihrer Reise über die kleine Dschungelinsel nichts, sodass der Fußvolk-Bodycount in die Höhe schnellt, bis sich am Ende bloß noch die Hauptfiguren in einem letzten, blutigen Duell gegenüber stehen... Wie gesagt, das ist kein Spoiler, sondern das ist die pure Genre-Konvention ;-) Und trotzdem (oder gerade deshalb?) weißt „Zaroff“ gut zu unterhalten: Denn Autor Sylvain Runberg weiß um die Fallstricke des Survival-Horrors und fordert die LeserInnen deshalb heraus: Die sich gegenüberstehenden Hauptfiguren, also Zaroff und die Mafia-Braut, sind beide keine echten ProtagonistInnen, sondern halt einfach schlechte, bösartige Menschen. Und doch ist das Verhältnis der LeserInnen zu ihnen ambivalent, da sie auch positive Wesenszüge oder Motivationen bekommen, sodass man sie nicht gänzlich unsympathisch finden kann. Tatsächlich fragt man sich die gesamte Geschichte über, wem man denn jetzt die Daumen drücken soll... Klar, natürlich den unschuldigen Zaroff-Verwandten, aber die sind kaum mehr als vorwurfsvolle Nebenfiguren, die Zaroff beim Abmetzeln der Mafia-Schergen behindern :-P
Insgesamt unterhält die Geschichte gut, auch weil sie sehr vorwärtsdrängend erzählt wird. Es gibt keine großen Schnörkel (außer eine Mini-Nebenhandlung um Macho-Mafiosi, die sich keiner Frau unterordnen wollen) und auch kaum herausstechende Einzelszenen (lediglich die Krokodilfalle wird mir länger im Gedächtnis bleiben, der Rest ist halt Standard-Guerillakampf im nebligen Dschungel). Und so ist der 88 Seiten umfassende Band (davon 8 Seiten Bonusmaterial) überraschend schnell durchgelesen. Nichtsdestotrotz waren es wirklich unterhaltsame und noch dazu wirklich schön gezeichnete 88 Seiten, sodass die 19,80 €, die der „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) für das Hardcover verlangt, durchaus in Ordnung gehen.
Fazit: Wer gerne Filme oder Bücher aus dem Survival-Horror-Genre konsumiert, wird an „Zaroff“ (Link) sehr viel Freude haben. Das ist wirklich tolle Genre-Kost, die noch dazu wirklich atmosphärisch gezeichnet wurde.