Ich habe so den Eindruck, dass es Neuauflagen beliebter Klassiker mitunter ziemlich schwer haben, von einer etablierten Fan-Basis angenommen zu werden – Egal, ob es nun um Rollenspiele, Kinofilme, Videospiele oder eben auch Comics geht. Skeptische Stimmen hörte ich anfangs auch bei „Die neuen Fälle des Rick Master“, der überraschend nostalgischen Fortführung einer sehr langlebigen Krimi-Reihe (1955 – 2010) durch den vielfach ausgezeichneten Autor Zidrou. Zumindest in meiner Comic-Filterblase sind diese skeptischen Stimmen aber spätestens mit dem sehr gelungenen Wirtschaftskrimi „Der perfekte Mord“ (Link) verstummt. Ob sie jetzt mit „Gefallen für Frankreich“ wieder laut werden? Rick Master, der etwas zu selbstsichere Vorzeigejournalist mit einer Schwäche für blonde Praktikantinnen und schnelle Autos, ist wieder einmal ganz kurz davor, einen ganz Frankreich erschütternden Skandal aufzudecken. Normalerweise würden die ertappten VerbrecherInnen nun versuchen, ihn mit Gewalt zum Schweigen zu bringen, dann gäbe es vielleicht eine kleine Prügelei oder eine Verfolgungsjagd mit seinem knallgelben Porsche, und dann hätten wir wieder ein schönes Happy End ;-) Aber diesmal gehen Ricks Gegner subtiler vor: Sie decken sein dunkelstes Geheimnis auf! Denn Rick ist gar kein Kriegswaise, sondern der Sohn einen landesweit bekannten Einbrechers. Und schlimmer noch: Weil er eben kein Kriegswaise ist, zählt Rick plötzlich als Wehrdienst-Drückeberger, dem dafür fast ein ganzes Jahrzehnt Haft droht! Davor bleibt er zwar immerhin verschont, doch muss er jetzt die fehlenden 16 Monate Wehrdienst ableisten – Keine leichte Zeit für den ziemlich starrsinnigen, hedonistischen Lebemann. Als er eines Nachts dann Wache halten soll, begeht er auch lieber Fahnenflucht, um sich seinen Trieben hinzugeben. Leider genau in der Nacht, in der in der Kaserne ein Mord geschieht – Ohne Leiche! Nun sind also Ricks legendäre detektivische Fähigkeiten gefragt. Kann er den Fall, obwohl er kritisch von seinen Kameraden beäugt und von seinen Vorgesetzten niedergehalten wird, lösen? Okay, so viel Spoiler sei erlaubt, natürlich kann er das – Immerhin geht es hier um den legendären Rick Master :-P Tatsächlich schafft er es diesmal aber nicht so spielend leicht im Alleingang wie sonst, stattdessen muss seine Verlobte Nadine außerhalb der Kaserne einen Großteil der Laufarbeit für ihn übernehmen. Sehr schön zu sehen, wie sehr sich diese Nebenfigur langsam von ihrer anfänglichen Rolle als naive Bettgespielin emanzipiert :-) Generell gefällt mir die Beziehungsdynamik der beiden Verlobten in diesem Band sehr, sorgt sie doch für die humoristische Abwechslung in einem ansonsten doch sehr ernsten Setting – Denn in der Kaserne herrscht, na klar, ein Kasernenton und das Ideal der Kameradschaft ist auch noch nicht bei jedem Rekruten angekommen... Interessanterweise kann man im Aufbau dieser Kriminalgeschichte einige Parallelen zum von mir erst vor wenigen Tagen rezensierten Adelshaus-Krimi „7 Detektive #1 Miss Crumble: Das gestiefelte Monster“ (Link) erkennen; nur mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass Zidrou einfach wesentlich besser schreibt als Herik Hanna: Denn beide Krimis lassen sich erstens vergleichsweise viel Zeit, um vor dem eigentlichen Mordfall die entsprechende Atmosphäre aufzubauen. Und zweitens besitzen sie beide zwei prinzipientreue, aber etwas unangenehm von sich eingenommene ProtagonistInnen. Aber wo „Das gestiefelte Monster“ eher mittelprächtige Dickenwitze und ganz viel „Früher war alles so unglaublich idyllisch“-Zuckerguss zur Atmosphärebildung nutzt, zeigt „Gefallen für Frankreich“ eine bigotte, auf den eigenen (verblassenden) Ruhm fixierte Gesellschaft – Zidrou braucht nur wenige Seiten, um den heutigen LeserInnen einen glaubwürdigen Eindruck des verstaubten Gesellschaftsbildes zu vermitteln, gegen das zu eben jener Zeit die 68er auf die Straße gingen. Ein aufrichtiges Lob für den Autor, aber auch ein aufrichtiges Lob für den Künstler Simon Van Liemt. Denn letzterer bleibt mit seinem Zeichenstil der Reihe treu: Man hat beim Betrachten der Panels wirklich das Gefühl, dass man hier einen Comic aus den 50er oder 60er Jahren liest. Dass es nicht so ist, merkt man quasi erst, wenn man den hochwertigen Hardcover-Einband vom „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) sieht. Der Preis von glatten 15 € für 56 Seiten geht da voll in Ordnung. Fazit: Die Krimi-Reihe „Die neuen Fälle des Rick Master“ bleibt auf einem konstant hohem Niveau! Der vierte Band „Gefallen für Frankreich“ (Link) ist, und das hätte ich zuvor nicht für möglich gehalten, genauso gut wie der Vorgängerband :-D Empfehlenswert!
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