Erinnert Ihr Euch noch an den Jahresanfang, an die gute alte Zeit, in der man noch ins Kino durfte? Damals freuten sich einige männliche Comic-Fans ziemlich lautstark, dass die feministische Harley Quinn-Verfilmung (Besprechung hier, Link) an den Kinokassen ziemlich unterging. Das war ihnen durchaus eine Genugtuung, jammerten sie doch schon ein Jahr vorher bei der ebenfalls als feministisch gebrandmarkten Captain Marvel-Verfilmung (Besprechung hier, Link), welche allerdings überaus erfolgreich war. Da wurde dann die ganz große Keule rausgeholt, dass Captain Marvel ein Musterbeispiel für toxischen Feminismus sei. Ob das wirklich so ist? Der Sammelband „Eine für Alle, Alle für Eine“ könnte hier eine Antwort liefern, muss Captain Marvel hier doch eine weibliche Anti-Macho-Widerstandsgruppe anführen... Carol Danvers a.k.a. Captain Marvel ist nach allerlei Weltenrettungsmissionen zurück auf der Erde. Doch auch dort findet sie keine Ruhe, denn erst wird ihr von Tony Stark a.k.a. Iron Man ein ungewolltes Promo-Interview aufgezwungen, dann gibt es gleich den nächsten Superschurken-Angriff: Der sexistische Nuclear Man hat eine unüberwindbare Barriere geschaffen, hinter der er in einem post-apokalyptischen New York eine misogyne Diktatur errichtet hat. Wobei, so ganz unüberwindbar ist sie dann doch nicht: Männliche Superhelden müssen zwar draußen bleiben, Frauen (wie z.B. She-Hulk) kommen aber irgendwie durch. Und so wird Captain Marvel die Anführerin eines feministischen Krieges, der nicht nur mit Superkräften, sondern auch mit schwerem Militärgerät wie Jagdfliegern und Kampfrobotern ausgetragen wird... Hilflose Superhelden-Männer vor der Barriere, ein sexistischer Oberbösewicht und sich selbst ermächtigende, sich selbst befreiende Frauen – Da höre ich schon wieder das bitterliche Klagen mancher Nerd-Incels ;-) Wenn man aber objektiv an die Geschichte heran geht, dann ist sie tatsächlich gar nicht mal schlecht: Bis auf geringfügige Längen ist der aus fünf US-Ausgaben bestehende Sammelband durchweg spannend, mit einer ausgewogenen Mischung aus Superhelden-Kämpfen auf verschiedenen Eskalationsstufen und ruhigen Dialogszenen. Dabei konzentriert sich die Handlung primär auf die Protagonistin, was nur insofern stört, dass man mit ein paar mehr Nebenfiguren (z.B. She-Hulk & Spider-Woman sowie gefühlt dem halben Avengers-Team) konfrontiert wird, als es für einen an NeueinsteigerInnen gerichteten Serienstart notwendig gewesen wäre. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau, denn selbst wer nur geringfügige Comic-Vorerfahrung haben sollte (oder wer lediglich die Kinofilme gesehen hat) wird mit „Eine für Alle, Alle für Eine“ sehr viel Spaß haben. Das liegt neben der Geschichte auch an den Zeichnungen, welche für meinen Geschmack zwar nicht so herausragend sind, wie es viele Blog-KollegInnen in ihren Rezensionen schreiben; aber gut sehen sie schon aus :-) Wo ich meinen KollegInnen aber durchweg zustimmen kann: Das Cover-Motiv war von der Idee her zwar sehr durchdacht, in der zeichnerischen Umsetzung aber eher abschreckend. Schade, da hat „Panini Comics“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsmuster zur Verfügung gestellt haben) nicht die allerbeste Wahl getroffen. Da letztlich aber nicht das Cover zählt, sondern der Inhalt, kann man die 15,99 € für das 132 Seiten starke Softcover bedenkenlos zahlen. Für 22 € gibt es eine auf 222 Exemplare limitierte Variante (Link), die hat dann auch das schönere Cover ;-) Fazit: „Captain Marvel #1 Eine für Alle, Alle für Eine“ (Link) bietet feministische Superheldenpower :-)
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