Aktuell ist der Begriff „Apartheid“, wenn auch im völlig falschen Kontext, ja gerade wieder in aller Munde. Vielleicht ist es daher für Comic-Interessierte ein glücklicher Zufall, dass der „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) genau jetzt einen ganz und gar phantastischen Politik-Thriller veröffentlichte, welcher sich mit dem modernen Südafrika befasst, welches versucht, die Folgen seiner Apartheid-Vergangenheit (ja, das war echte Apartheid; auch wenn „Amnesty International“ etc. den Begriff auch gern mal fälschlich für Israel verwenden) zu bewältigen.
In den Weinfeldern Südafrikas wird ein Baby entführt und ermordet, kurz darauf stirbt ein Farmarbeiter auf brutale Weise. Normalerweise interessiert das die Polizei nicht wirklich, da die Opfer in beiden Fällen Schwarze Menschen waren. Da die Stimmung jedoch eh schon aufgeheizt ist, da im Parlament gerade über Landrückgabe bzw. Entschädigungen hitzig debattiert wird und da Anti-Weißen-Milizen die Farmen der ehemaligen Kolonisatoren abbrennen, wird doch mal ein wenig genauer ermittelt. Shane Sheppard ist der Name des Protagonisten, ein weißer Kommissar, der trotz seiner guten Absichten gegen eine Mauer des Schweigens anrennt. Doch trotz aller Hindernisse kommen seine Ermittlungen langsam voran, doch sie führen ihn in die abgehängtesten und damit kriminellsten Ghettos Südafrikas...
„Sangoma“ vermischt gleich zwei Genres miteinander, die ganz wundervoll miteinander harmonieren. Einerseits bietet der 152 Seiten dicke Comic einen Kriminalfall, der ganz klassisch mit Verhören, Zeugenaussagen, Informanten und auch mal wohldosierter, aber knalliger und brutaler Action gelöst wird. Andererseits ist die Geschichte ein phantastischer Politik-Thriller, der die Gegensätze des modernen Südafrikas widerspiegelt. Interessant sind dabei besonders die ambivalenten, opportunistischen Nebenfiguren: Da gibt es beispielsweise einen rassistischen, weißen Politiker, der aber eine heimliche Schwarze Geliebte hat. Diese wiederum will aber ihre beruflichen Erfolge nicht über Quotenregelungen erreichen, sondern mit harter Arbeit – Auch wenn das bedeutet, eher mal den Hintern anstatt das Gehirn einzusetzen... Ausgerechnet der Protagonist schwächelt in dieser Hinsicht, der ist halt nur der coole, knallhart sein Ding durchziehende Cop mit dem Herz am rechten Fleck. Aber das ist nur ein kleiner Kritikpunkt, der erst auffällt, wenn man den ganz phantastisch, super atmosphärisch gezeichneten Comic in einem Rutsch durchgelesen hat und sich überlegen muss, wie man jetzt ohne Spoiler eine dreiviertel Seite Text vollkriegt ;-)
Fazit: „Sangoma: Die Verdammten von Kapstadt“ (Link) ist ein rauer, atmosphärischer, spannender Comic, der sowohl als klassischer Krimi als auch als Politik-Thriller vollkommen überzeugen kann. Eine absolute Empfehlung!