Die positivste Überraschung, die mich dieses Jahr erfreut hat, war die Fortsetzung der zumeist großartigen „Androiden“-Anthologieserie. Okay, wer regelmäßig einen Blick über den Tellerrand ins franko-belgische Comic-Gebiet wirft, wusste das schon vorher, aber so tief bin ich im Comic-Meta-Game dann doch nicht drin ;-) Jedenfalls konnte mir die transandroidistische SciFi-Geschichte „Synn“ (Link) nicht nur den Auftakt des 2. Zyklus schmackhaft machen, sondern sie legte die Messlatte für alle weiteren Bände wieder ziemlich hoch (ein „Problem“, das auch schon der 1. Zyklus hatte, war der herausragende Zyklus-Auftaktband (Link), gegen den alle Nachfolger nur verlieren konnten...). Na mal schauen, ob „Die Deserteure“ mich, gerade auch durch den interessanten Genre-Wechsel, wieder überzeugen kann... Wer die unselige „Starship Troopers“-Verfilmung kennt, kann sich jetzt eigentlich ganz gut vorstellen, was für ein Military SciFi-Szenario die LeserInnen in diesem Band erwartet: Hier geht es ebenfalls um fiese Insektenaliens auf einem Wüstenplaneten, gegen die nur menschliche Feuerkraft hilft :-P Allerdings werden diese gut 25 Meter hohen Schlangenaliens nicht von Menschen gejagt, welche gegenüber ihren Psycho-Attacken zu anfällig sind, sondern von Massen an humanoiden Robotern und Androiden. Diese stehen unter dem direkten Befehl des menschlichen Oberkommandos, was sie taktisch allerdings etwas schwerfällig macht. Als die Großoffensive zu scheitern droht, aktiviert beziehungsweise entfesselt man daher die Androiden-eigene künstliche Intelligenz, damit sich das Schlachtenglück dank schnellerer, mathematisch-logischer Entscheidungen doch noch zu Gunsten der bedrohten Menschheit wendet... Und tatsächlich scheint dieser Plan auch aufzugehen, mit einer winzigen Ausnahme: Ausgerechnet zwei hochentwickelte Elite-Androiden entdecken ihren Überlebensinstinkt und desertieren mitten in der Schlacht! Tja, und dann desertieren die beiden namenlosen Androiden halt und dann werden sie sowohl von ihren mechanischen Kameraden als auch von ihren menschlichen Erbauern und den Schlangenaliens gejagt. Und tatsächlich passiert dann, ausgenommen von ein paar philosophischen Verschnaufpausen, absolut überhaupt nichts mehr! Feuergefecht reiht sich an Feuergefecht, während das menschliche Oberkommando je nach Situation besorgt oder erfreut auf die Schlachtfeldkarte blickt und der Androiden-KI-Entwickler bedeutungsschwanger durch die Gegend schaut... Tatsächlich empfindet man als LeserIn der Geschichte, obwohl es hier gefühlt so viele Action-Szenen gibt wie in allen anderen „Androiden“-Comics zusammen, eine schwer zu greifende Ruhe, ja fast schon Lethargie beim Lesen. Im allgemeinen Schlachtgetöse geht irgendwie der Kern der Geschichte, nämlich die Selbstgewahrwerdung der beiden Androiden, völlig unter. Ja, die beiden gesichts- und namenlosen Gestalten philosophieren ein wenig vor sich hin, aber das war es dann auch schon. Warum sie plötzlich desertieren oder auch nur anfangen, an ihrer Existenz beziehungsweise Mission zu zweifeln, erfährt man nicht – Tatsächlich weiß man am Ende genauso viel oder wenig wie das menschliche Oberkommando, welches versucht, sich aus den Bruchstücken der geretteten Erinnerungsdaten einen Erkläransatz herauszudestillieren. Und das ist sicherlich eine interessante Erzählperspektive vom Autor Christophe Bec, doch wird so leider komplett verhindert, dass man sich mit den beiden Deserteuren auch nur ein klein wenig identifizieren kann. Ich schreibe ja häufig mal in meinen Rezensionen, dass mir das Schicksal von mangelhaft ausgearbeiteten ProtagonistInnen egal ist, aber selten war es mir so egal :-( Und das ist schade, denn prinzipiell ist die Story-Idee recht charmant und der Künstler Erion Campanella Ardisha liefert mit seinen sich in der Masse zwar rasch abnutzenden, einzeln betrachtet aber eindrucksvollen Schlachtgemälden wirklich gut ab... Ebenfalls gut liefert wie immer der „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) ab, sodass Fans der „Androiden“-Reihe und allgemein Military SciFi-LiebhaberInnen bedenkenlos die 16 € für das 56 Seiten starke Hardcover zahlen können. Fazit: Selten habe ich mich so schwer mit einem Fazit getan oder gar mit einer Empfehlung für irgendeine Zielgruppe... „Androiden #6 Die Deserteure“ (Link) kann man sich vom Konzept her wohl am einfachsten vorstellen als eine philosophische Poetry-Slam-Performance, bei der im Hintergrund „Starship Troopers“ an die Wand projiziert wird ;-) Dieses Military SciFi-Gewichse muss man nicht zwingend toll finden, aber irgendwie hebt es sich dann doch (je nach Geschmack positiv oder negativ) merklich ab von den allermeisten anderen "Androiden"-Bänden, welche zwar munter das Genre wechseln, sich erzählerisch aber doch ähneln.
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