Kurz vor Weihnachten überraschte mich der „Splitter Verlag“ mit der neuen Anthologie-Serie „Conquest“. Denn der Serienauftakt „Islandia“ (Link) erzählte eine spannende Geschichte, die zugleich mit der Meta-Frage spielte, ob man als LeserIn denn manchen Weltraum-Nazis die Daumen drücken dürfe, wenn andere Weltraum-Nazis noch viel schlimmer sind... So weitreichende Gedanken muss man sich beim zweiten Band „Deluvenn“ nun nicht machen, denn hier wird ein klassisches SciFi-Abenteuer mit fiesen Monster-Aliens und einer sich im Angesicht der Bedrohung wieder zusammenraufenden Familie erzählt. Ob das trotzdem unterhaltsam ist? Idris ist ein ziemlich grobschlächtiger, raubeiniger Mechaniker auf einem Kolonisationsschiff der Mittelmeerraumflotte. Dort hat er ganz schön viel zu tun, um den Kahn am Laufen zu halten, denn die in der Not zusammengewürfelten Schiffe und Technologien verschleißen quasi im Sekundentakt. Logisch, dass er da immer und immer wieder Extraschichten einlegen muss. Irgendwann reicht es ihm dann aber doch und so tötet er im Streit bzw. Streik einen vorgesetzten Militärangehörigen, was ihm die Todesstrafe einbringt. Doch die muss erst einmal warten, denn die Flotte hat mit der Kolonisation des kleinen Meeresplaneten Deluvenn mehr als genug zu tun! Immerhin, anders als ihre Nazi-KollegInnen in „Islandia“, müssen sich die KolonistInnen diesmal weder mit einem rauen Klima noch mit feindseligen Außerirdischen herumschlagen – Zumindest scheinbar, denn plötzlich taucht ein riesiger Kraken auf, der offensichtlich auch am Untergang einer ehemaligen Deluvenn-Zivilisation seinen Anteil hat... Was genau diesen Kraken nun gefährlich macht, will ich natürlich nicht verraten, aber so viel sei gespoilert: Die Lage eskaliert schnell und so muss sich Idris aus dem Todestrakt befreien, um seine entfremdete Familie zu retten. „Deluvenn“ erzählt im Vergleich zu „Islandia“ also eine, trotz anderer Ausgangslage und Familienkonstellation, überraschen ähnliche Geschichte: Skrupellose Menschen besiedeln einen fremden Planeten, was nach anfänglichen Erfolgen plötzlich („Dank“ außerirdischen Ureinwohnern) in purem Chaos endet, bevor die Invasoren sich gegenseitig zerfleischen und die Angelegenheit für die Hauptfigur damit persönlich wird. Und dieses Konzept funktioniert prinzipiell wieder recht gut, weil die althergebrachten Zutaten ein schmackhaftes SciFi-Menü zaubern. Aber, und das ist die größte Überraschung, im Vergleich zum Auftaktband fällt „Deluvenn“ dann doch ein wenig ab, denn der Protagonist ist einfach viel zu unsympathisch! Schon auf der ersten Seite kommt er als ziemlicher Arsch rüber, beim Mord auf Seite 3 hat er dann sämtliche Sympathien verspielt. Da kann seine Familie nicht viel retten, denn ja, man versteht die Entfremdung beziehungsweise teils sogar Zerrüttung mit der Exfrau und den Kindern. Andererseits kann man sich beim Lesen einfach nicht vorstellen, dass Idris und seine Exfrau irgendwann man wirklich viele Jahre lang glücklich zusammen waren – Klar, er kann sich charakterlich ja mal plötzlich massiv zum Schlechteren entwickelt haben, aber falls das so war, wird es nicht erklärt. Hier entsteht für die LeserInnen ein ernsthaftes Glaubwürdigkeitsproblem, was für diesen Comic extrem problematisch ist, da der Kern der Geschichte eben das Zusammenraufen der zerrütteten Familie ist. Und eben dieser Kern funktioniert nicht richtig :-( Wie gesagt, zum Glück kann der SciFi-Action-Anteil der Geschichte den Band retten, sodass man am Ende der 64 Seiten doch halbwegs versöhnt die Hardcover-Buchdeckel zuschlägt. Trotzdem schade, hier wäre mehr drin gewesen... SciFi-Fans können trotzdem die 16 € zahlen, welcher der „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) für seine gewohnt gute Druckqualität verlangt; aber neugierige Neulinge sollten eher zum ebenfalls eine in sich abgeschlossene Geschichte erzählenden Auftaktband greifen. Fazit: Wer hätte es gedacht, dass man einen Proletariatsprotagonisten erschaffen kann, der noch unsympathischer ist als die Nazi-Protagonistin im Vorgängerband? Wo die Familiengeschichte (der eigentliche Kern des zweiten Anthologie-Bandes) schwächelt, erfreut „Conquest #2 Deluvenn“ (Link) seine LeserInnen weiterhin mit althergebrachter, guter SciFi-Action. Letztendlich sollte man seine Kaufentscheidung deshalb davon abhängig machen, auf welchen Teil der Geschichte man seinen persönlichen Fokus legt.
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