Als ich dieses Jahr zur „DraCon“ (der sympathischen Convention in der tiefsten Eifel, Link) fuhr, staunte ich nicht schlecht über die immer noch zahlreich vorhandenen, teils mehrere hundert Meter durchgängigen Panzersperren des ehemaligen Westwalls. Mein Interesse am Thema war geweckt :-) Passenderweise erschien quasi zeitgleich eine CoSim, welche sich mit eben genau diesem Thema beschäftigte: „Crossing the Line: Aachen 1944“ aus dem neuen deutschen CoSim-Verlag „Furor Teutonicus Games“.
Entsprechend dem Namen befasst sich dieses Spiel mit der Schlacht um Aachen im Jahr 1944 (Link): Langsam, aber sicher drängen die alliierten Truppen auf das Gebiet des 3. Reiches vor. Aachen ist dabei die erste große Stadt, die sie befreien könnten, doch aufgrund der historischen Bedeutung (Krönungsort deutscher Herrscher) setzt die Wehrmacht alles daran, die militärisch und wirtschaftlich eher unbedeutende Stadt zu verteidigen. Am 21. Oktober 1944 um 12:05 musste Oberst Gerhard Wilck vor der alliierten Übermacht kapitulieren, doch waschechte CoSim-StrategInnen können die Geschichte hier neu schreiben... Zuvorderst aber erst einmal die nüchternen Fakten: „Crossing the Line: Aachen 1944“ ist eine auf Bataillonsebene spielende CoSim, bei der 1 – 2 SpielerInnen ihre Pappplättchen innerhalb einer Spielzeit von 30 Minuten (halte ich für unrealistisch) bis 10 Stunden auf Hexfeldern umherschieben, die jeweils 1 km darstellen sollen. Dabei können sich die alliierten Truppen auf ihre zahlenmäßige Überlegenheit verlassen, während die deutschen Truppen dynamisch auf das Schlachtgeschehen reagieren müssen, um nicht überrannt zu werden. Das Spielerlebnis ist also, wie das echte Leben auch, entsprechend asymmetrisch – Aber wie genau funktioniert das Spiel denn nun?
Nachdem man eines der drei Szenarien oder die Kampagne ausgewählt hat, platziert man seine Truppen entsprechend der Missionsvorgaben auf dem großformatigen, optisch (für eine CoSim) wirklich ansehnlich gestalteten Papierspielplan. Und dann geht es auch schon los: Eine Spielrunde setzt sich zusammen aus einer Administrationsphase (z.B. Nachschubverwaltung & Truppenreorganisation) und einer Operationsphase (Initiativbestimmung, dann Einheitenaktivierung). Dabei werden nicht einfache alle Einheiten nacheinander aktiviert, bis jemand fertig ist, sondern man aktiviert jeweils eine Formation (z.B. eine Division), die wiederum eine bestimmte Menge Aktivierungspunkte auf ihre untergeordneten Einheiten (z.B. Bataillone) verteilt. Diese können die Aktivierungspunkte dann beispielsweise für die Bewegung, die Verbesserung der Verteidigungsstellungen oder aber verschiedene Angriffsvarianten verwenden. Aber auch die aktuell passiven SpielerInnen müssen dabei nicht untätig bleiben und etwa abwarten, bis ihre Truppen vollkommen eingekesselt wurden: Kommt es zu gegnerischen Aktivitäten in einem anliegenden Hexfeld, darf ein W10-Reaktionswurf gegen den Reaktionswert des Formationshauptquartiers gemacht werden, um sozusagen notfallmäßig ein paar Aktivierungspunkte zu bekommen.
Irgendwann wird es dann zum Kampf kommen, der folgendermaßen abläuft:
1. Zu Beginn sagt man an, wer wen wo wie angreift. Daher, welche Einheit(en) im Kampf involviert sind und welche Angriffsvariante sie nutzen. 2. Dann ziehen die beiden SpielerInnen jeweils einen sogenannten „Combat Chit“ (Kampfpappplättchen), welches den Kampfwerten einen Multiplikator zuweist. 3. Anschließend rechnet man den finalen Kampfwert aus... 4. ...den man nun mit dem gegnerischen Kampfwert vergleicht. 5. Dann kommt der meiner Meinung nach komplizierteste Teil, immerhin will ein vom Verlag angegebener Komplexitätslevel von 6 / 10 auch verdient sein ;-) Nun werden noch allerlei Modifikatoren wie das Gelände, unterstütztende Truppen, Hauptquartier-Boni und Panzer-Überlegenheit dazu gezählt... 6. ...aber nur, wenn man eine Würfelprobe schafft. 7. Dann wertet man die Kampfresultate ausgewertet und die Verluste gemäß den Regeln verteilt.Tatsächlich muss man sich in diese Spielmechanik erst einmal richtig hineinfuchsen. Zugegeben, ich bin mir immer noch nicht sicher, ob wir das bei unserem Testspiel alles richtig gemacht haben ;-) Dabei bemüht sich „Crossing the Line: Aachen 1944“ aufrichtig um Zugänglichkeit, so sind beispielsweise die Regel sehr übersichtlich dargestellt (auch wenn es noch ein paar mehr Beispiele sein könnten) und die zahlreichen Hilfs- und Aufbaublätter erleichtern das schnelle Beantworten aufkommender Fragen. Dabei sind sämtliche Spielmaterialien, also sowohl das 44 Seiten umfassende Regelwerk als auch die Hilfsblätter und die 431 Pappplättchen von guter Qualität, sowohl was Layout & Design angeht, als auch was die Druckqualiät betrifft. Lediglich beim Spielplan hätte ich mir gewünscht, dass er aus stabiler Pappe gewesen wär und nicht aus dünnem Papier, dass sich nicht richtig glatt bekommen ließ. Aber das ist ein kleiner Kritikpunkt und so können CoSim-Fans bedenkenlos die 55 € zahlen, die „Furor Teutonicus Games“ (welche mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) aktuell verlangt. Fazit: „Crossing the Line: Aachen 1944“ (Link) ist eine spielmechanisch sehr komplexe, aber auch ungemein interessante und qualitativ hochwertig produzierte CoSim. Sie vermittelt einen sehr guten Eindruck davon, welche taktischen Herausforderungen sich bei der Schlacht um Aachen stellten. Eine gelungene CoSim-Premiere dieses noch jungen Verlags!