Schon über zwei Jahre ist es her, dass der „Splitter Verlag“ sein kleines, aber feines Portfolio an franko-belgischen Fernost-Comics nahezu zeitgleich mit zwei Serienstarts erweiterte: Zuerst erschien die neue Reihe „Senseï“ (Link) um die gefährliche Ronin-Dame Yukio, dann gleich darauf das „Samurai“-SpinOff „Samurai Legenden: Furiko“ (Link). Interessanterweise wurden beide Reihen von gleichen Autor, nämlich Jean-François di Giorgio, geschrieben – Aber letztlich zog „Senseï“ qualitativ, zumindest vorerst, den Kürzeren... Aber nun kann Yukio ihre Schmach wieder gutmachen, denn endlich erscheint mit „Der weiße Drache“ die Fortsetzung! Yukio ist, auch wenn sie damit eigentlich einen Männerberuf ausübt, die gefährlichste Ronin von ganz Japan. Als eine Bande von Verbrechern erfährt, dass sie angeblich viel Gold in ihre Kleidung eingenäht hat, stellen sie der jungen Frau eine Falle... Aber wie konnte es eigentlich soweit kommen, dass eine wohlbehütete Prinzessin, noch dazu eine echte Büchernärrin, zu solch einer blutrünstigen Kampfmaschine wurde? Genau das wird im zweiten Band „Der weiße Drache“ geklärt – Naja, oder zumindest zur Hälfte, denn die Geschichte endet mittendrin mit einem Cliffhanger. Immerhin, diesmal müssen wir uns keine zweieinhalb Jahre bis zum nächsten Band gedulden, sondern „nur“ bis zum Jahresanfang 2020 ;-) Der größte Kritikpunkt des ansonsten wirklich guten Vorgängers „Senseï: Die Schule der einsamen Wölfe“ war die charakterlich sehr flache Protagonistin, von der man absolut nichts erfuhr. Das ist diesmal zwar anders, denn die LeserInnen erfahren die erste Hälfte der Hintergrundgeschichte, aber so wirklich schlau wird man dann doch nicht: Prinzessin Yukio liest leidenschaftlich gern und lernt nebenbei noch, wie man mit dem Schwert umgeht. Heutzutage würde man sie als einen echten Nerd bezeichnen :-P Damit sie mal die Freuden des Lebens kennenlernt, wird eine Art Komplott geschmiedet: Angeblich wurde eine uralte Schriftrolle gefunden, wegen der sie in ein befreundetes Reich reisen soll. Dort, so hofft man, würde sie sich mit dem jungen Dichter Sumita anfreunden – Keine große Liebesgeschichte, denn er ist von niederem Rang, aber ein wenig Lebensfreude. Der Plan geht aber nicht so auf, wie eigentlich gedacht: Zweimal verliert die Prinzessin bei der Reise fast ihr Leben, dann auch noch ihre Jungfräulichkeit... Das klingt jetzt alles wesentlich aufregender, als es letztendlich ist: Es gibt zwar wieder einige sehr dynamische Actionszenen, den Großteil des Buches machen aber ziemlich unspektakuläre Dialogpassagen aus. Und sind wir mal ehrlich: Das Schmieden eines Komplotts, damit die Prinzessin mal an die frische Luft kommt, ist halt auch wesentlich unspektakulärer als die Planung eines Verrats oder Mords... Wie aus der Prinzessin nun also eine gefährliche Ronin wurde, warum sie also ihr privilegiertes Luxusleben als Büchernärrin aufgegeben hat, erfahren wir auch in diesem Band nicht. Und damit krankt die „Senseï“-Reihe nun auch nach zwei Bänden immer noch daran, dass man absolut keine Empathie für die Protagonistin entwickelt, weil sie den LeserInnen noch immer seltsam fremd ist... Das ist zwar schade, letztlich bleibt diese Fortsetzung damit aber den Stärken & Schwächen des Auftaktbandes „Die Schule der einsamen Wölfe“ treu: Gefällig Zeichnungen mit dynamischen Kampfszenen, die für eine wohlige Fernost-Atmosphäre sorgen, stehen im Gegensatz zu einer eher durchschnittlichen Geschichte mit einer sehr blassen Hauptfigur. Im direkten Vergleich zum Vorgänger fällt „Der weiße Drache“ dabei sogar noch etwas ab, da die Flucht-Geschichte mit Massaker-Ende des 1. Bandes einfach wesentlich vorwärtstreibender war als die Bücherwurm-Reise der Fortsetzung. Gleichgeblieben ist dagegen die Druckqualität vom „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte), welcher für das 48 Seiten umfassende Hardcover glatte 15 € verlangt. Fazit: Vom Auftaktband war ich ja noch ziemlich begeistert, bei der Fortsetzung bin ich etwas zwiegespalten: Immer, wenn es zu Kämpfen kommt oder man Fernost-Atmosphäre einsaugen will, spielt „Senseï: Der weiße Drache“ (Link) seine Stärken aus. Dem gegenüber steht aber ein eher schwacher Reise-Plot mit einer immer noch blassen Protagonistin – Letztendlich liegt es also am kommenden dritten Band, wie ich den zweiten Band (auch „Dank“ des fiesen Cliffhangers) einordnen werde!
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