Eigentlich ist Frankreich ein ziemlich solider Rechtsstaat – Auch wenn das die ein oder andere Gelbweste nicht wahrhaben will ;-) Nichtsdestotrotz liefern französische Comic-Schaffende mit einer erstaunlichen Inbrunst immer neue Geschichten, die von staatlichen Verschwörungen berichten. Auch die Politikthriller-Reihe „Sisco“ zeichnet das Bild einer von skrupelloser Korruption und moralischem Verfall geprägten französischen Republik – Nur mit dem Unterschied, dass die Geschichte diesmal den (offensichtlichen?) Bösewicht in den Mittelpunkt stellt. Der Korse Vincent Sisco-Castiglioni ist ein erfolgreicher Agent des dem Präsidenten treuen Geheimdienstes DGSPPR (Direction Générale des Services de Protection du Président de la République). Zu seinen Aufgaben gehören nicht nur klassische Geheimdiensttätigkeiten, etwa die Abwehr ausländischer Spione, sondern auch die Wahrung der Staatsräson – Was bedeutet, dass sich Sisco auf Geheiß des Präsidenten auch mal über den Rechtsstaat hinwegsetzen soll...
1. So beispielsweise im Auftaktband Schieß nur auf Befehl! (Link): Ein Regierungsberater will über die korrupten Machenschaften des Präsidenten aussagen, woraufhin Sisco ihm einfach eine Kugel in den Kopf jagt und das Ganze dann als Selbstmord inszeniert. Nur leider hat ein Fensterputzer den Mord gesehen und mit seinem Handy gefilmt, sodass Sisco nun den ganzen ersten Auftaktband lang versucht, den unliebsamen Zeugen aus dem Weg zu räumen und das Beweisvideo zu vernichten.
2. Doch erfolgreich waren weder er noch seine DGSPPR-KollegenInnen, sodass das Handy letztlich in den Händen der Politikjournalistin Léa Dalmont landet. Sisco wurde zwar eigentlich von dem immer größere Kreise ziehenden Fall abgezogen, doch als echtes Alphamännchen kann er sich einfach nicht zurückhalten, als sein Konkurrent den Auftrag Bring sie zum Schweigen! (Link) erhält ;-) Und so kann er Léa zwar rasch in seine Gewalt bringen; doch er muss feststellen, dass er wegen des aus dem Ruder gelaufenen Auftragsmords nun selbst auf der Abschussliste missgünstiger Geheimdienstkollegen steht. Notgedrungen muss er ein Zweckbündnis mit Léa eingehen...
Jetzt muss ich erst einmal durchatmen! Denn ich glaube, dass ich noch nie einen solch zynischen, eiskalten Agententhriller gelesen habe, gegen den selbst der originale Literatur-007 (also nicht der Weichspülplayboy aus den Filmen) wie ein moralisch integrer Gentleman wirkt... Das „Sisco“-Setting ist knallhart, hier schert man sich einfach mal überhaupt nicht um irgendwelche Menschen- oder Bürgerrechte seiner eigenen Landsleute – Der Wunsch, dem Vorgesetzten (und damit letztlich dem Präsidenten) die gewünschten Ergebnisse zu liefern, sich gegenseitig auszustechen und letztlich auch die eigene Haut zu retten, ist das einzige Ziel der DGSPPR-Geheimdienstler. Dabei sind all diese Agenten echte Alphamännchen, was logischerweise zu permanenten Reibereien und letztlich einem tödlichen Konkurrenzkampf führt – Um es mal drastisch zu formulieren: Der sich über die beiden Bände erstreckende Politikthriller ist in jeglicher Hinsicht einfach nur ein ausgedehnter Schwanzvergleich. Wer tötet effizienter? Wer sorgt für weniger Aufsehen? Wer fickt die Sekretärin besser, länger und härter? Wer hat letztlich mehr Macht? Man muss dieses knallharte, zynische, irgendwie auch trostlose Setting mögen, um hier so etwas wie Lesefreude zu empfinden. Denn die Geschichte und der Namensgeber Sisco haben viel gemeinsam: Sie sind auf eine deprimierende Art völlig emotionslos und eiskalt, dafür protzen sie mit ihrer Effektivität: Hier gibt es keine Längen, keine unnützen Schlenker, sondern auf den Punkt konstant Adrenalin. Die Actionszenen treiben vorwärts und die verschiedenen Figuren werden der Effizienz wegen geopfert – Wo Agent 007 spätestens im zweiten Band die aufrechte und bildschöne Journalistin verführt hätte, ist sie hier nur ein entbehrliches Puzzleteilchen oder auch Bauernopfer, um effizient zum nächsten Handlungsziel zu kommen. Genau so zielorientiert ist auch die Präsentation: Der typisch franko-belgische Zeichenstil ist da, wo nötig, detailliert und ausufernd, und da, wo nicht nötig, Standard. Mehr als nur Standard ist dagegen die Druckqualität von „Bunte Dimensionen“ (welche mir dankenswerterweise Rezensionsmuster zur Verfügung stellten), sodass jeweils 15 € für 48 Seiten im Hardcover in Ordnung gehen. Fazit: Die zusammenhängende, in sich abgeschlossene Geschichte gefällt dank gut inszenierter Actionszenen und permanenter Spannung. Man muss sich aber für eiskalte Politikthriller mit skrupellosen Geheimagenten begeistern können – Schon Fans des Kino-007 könnten die Atmosphäre als etwas zu zynisch und deprimierend empfinden. „Sisco #1+2“ (Link) ist halt nur was für LeserInnen, die genau so knallharte Alphamännchen wie der namensgebende Titelheld sind :-P
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