Ich lehne mich ja eigentlich selten weit aus dem Fenster, aber ich wage einfach mal zu behaupten, dass in diesem Jahrzehnt „Black Hammer“ (Link) ungefähr dem entspricht, was „Watchmen – Die Wächter“ damals in den 80ern war – Eine radikale Comic-Dekonstruktion des Superhelden-Genres. Mittlerweile ist bereits das zweite SpinOff erschienen. Mal schauen, ob es die Hauptserie sogar noch übertrifft... War das erste SpinOff „Sherlock Frankenstein und die Legion des Teufels“ (Link) noch mit einem sehr engen Bezug hin zur Hauptserie, hat „Doctor Star & das reich der verlorenen Hoffnung“ eher periphere Berührungspunkte: Ab und an tauchen ein paar bekannte Figuren auf, die aber (bis auf Abraham Slam) kaum mehr als kurze Cameo-Auftritte haben. Aber das ist gar nicht schlimm, denn die Geschichte von Doctor Star ist tragisch genug, um für sich alleine bestens zu unterhalten :-D Dr. Jim Robinson ist ein aufstrebender Wissenschaftler, der in den 40er Jahren über die Theorie der Para-Strahlung promoviert hat und nun vor der Entdeckung der Para-Zone steht. Kurz vor dem Kriegseintritt interessiert sich auch das US-Verteidigungsministerium für seine Arbeit, sodass er fortan sein ganzes Leben – ohne Budgetgrenzen – der Entwicklung eines Para-Stabs widmen kann, um damit die dimensionale Membran zu durchbrechen. Dabei verliert er sich jedoch so sehr in seiner Arbeit, dass er seine Frau und seinen Sohn sträflich vernachlässigt... Und es wird noch schlimmer, als er endlich einen Para-Stab entwickelt hat und fortan als Superheld Doctor Star für Recht und Ordnung sorgt: Als er im zweiten Weltkrieg Nazi-Superhelden verkloppt, war seine Heimkehr für seine Familie immerhin absehbar. Doch als er zu einer galaktischen Mission aufbricht, verändert sich in der Nähe eines schwarzen Lochs die Geschwindigkeit der Zeit: Während es für ihn nur ein kurzer Ausflug war, muss seine Familie ganzen 18 Jahren auf seine Rückkehr warten, woran sie schließlich zerbricht... Um es gleich vorweg zu nehmen: Wo besonders die Hauptserie, aber auch das erste SpinOff, erzählerisch noch komplex und verwinkelt waren, ist diese Geschichte überraschend geradlinig: Ein Wissenschaftler verliert sich in seiner Arbeit, vernachlässigt dabei seine Familie, und muss letztlich mit der Konsequenz leben. Das ist jetzt nicht sonderlich innovativ, aber überraschend spannend und vor allem so kunstvoll erzählt, dass ich am Ende fast eine kleine Träne im Auge hatte... Der kanadische Comic-Autor Jeff Lemire kann einfach ganz hervorragend Geschichten erzählen, was er auch mit diesem „Stand-Alone-SpinOff“ ganz hervorragend unter Beweis stellt! Denn er beschränkt sich nicht nur auf ein klassisches Familiendrama, sondern stellt im Verlauf der Handlung auch die großen philosophischen Fragen zum Sinn des Daseins: Dr. Jim Robinson hat seine Familie zerstört, gleichzeitig aber in der ganzen Galaxie so viel Gutes bewirkt – Kann das Gute das Schlechte wieder aufwiegen? Nicht ganz so mithalten können da die Zeichnungen von Max Fiumara, die zwar eigentlich wirklich gut sind, besonders auch dank der atmosphärischen Kolorierung. Jedoch wirken sie ein wenig unselbstständig – Nicht nah genug an der Hauptserie, um einen Wiedererkennungseffekt zu haben, aber auch nicht selbstständig genug, um sich deutlich abzugrenzen... Die Präsentation sitzt also sprichwörtlich zwischen den Stühlen, aber das kann auch nur mein persönlicher Eindruck sein, denn das ist ja eh immer Geschmackssache ;-) Keine Geschmackssache ist dagegen die hervorragende Druckqualität vom „Splitter Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsmuster zur Verfügung stellte), welcher die mit gerade mal knapp 100 Seiten recht schmale Geschichte mit ordentlich Bonusmaterial aufpumpt. So kommen wir am Ende auf insgesamt 128 Seiten, für die man durchaus gern 19,80 € bezahlt. Fazit: „Doctor Star & das Reich der verlorenen Hoffnung“ (Link) ist ein außergewöhnlich gutes Comic-SpinOff zur außergewöhnlich guten „Black Hammer“-Reihe. Denn es funktioniert nicht nur als SpinOff, um das Setting weiter zu vertiefen, sondern es funktioniert auch als alleinstehendes Superhelden-Familiendrama ausgesprochen gut. Wie für alle Sammelbände aus dem „Black Hammer“-Universum kann ich daher ausdrücklich eine Kaufempfehlung abgeben!
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