Seit rund zwei Jahren klappern Rollenspiel-Autor Manfred Altenschmidt (Link) sowie seine motivierte Support-Crew (Link) die großen und auch kleinen Conventions der Republik ab, um das Ende letzten Jahres veröffentlichte Endzeit-Rollenspiel „NoReturn“ zu promoten. Na mal gucken, ob sich über zwei Dekaden Entwicklungszeit gelohnt haben ;-) „NoReturn“ (Link) spielt in der fernen Zukunft des Jahres 5407 IPK, in der die Welt nach allerlei Entbehrungen (Kriege, Umweltzerstörungen etc.) inklusive Weltraum-Exodus und anschließender Rekolonisierung eigentlich gar kein so schlechter Ort ist – Meint zumindest die totalitäre Regierung namens Zentrum. Die Realität sieht natürlich, immerhin handelt es sich um ein Endzeit-Setting, ganz anders aus: Jeder Tag in der zerstörten Welt ist ein einziger Kampf ums Überleben, denn skrupellose Verbrecher-Gangs, ausgestoßene Tier-Mutanten-Rebellen, durch fehlgeleitete Experimente entstandene Zombie-Horden und nicht zuletzt die gnadenlosen Häscher des Zentrums machen den Spielern das Leben schwer. Die nordamerikanische Spielwelt, aber auch die einzelnen Handlungsorte (New Jersey City, Miami, Houston) an sich, sind nur recht grob ausgearbeitet und geben mehr eine Art Rahmen vor, welchen die Spieler mit Leben füllen sollen. Das fühlt sich einerseits wie ein Genre-Mischmasch an (Fantasy-Cyberpunk im Stil von „Shadowrun“ bis hin zu Post-Apokalypse im Stil von „Mad Max“), erlaubt andererseits aber auch eine große Variation an möglichen Spielinhalten (purer Überlebenskampf, Kleinkriminalität, Einbruchs- und Entdeckungsabenteuer, Gang-Kriege, paramilitärischen Missionen). Das Regelwerk macht da kaum Vorgaben, sondern befördert diese Varianz sogar, beispielsweise indem man das für die geplanten Abenteuer passende Powerniveau und Charakterprofil auswählen kann. Die hier Protagonisten genannten Spieler werden folgendermaßen erstellt:
1. Nach der Wahl des Powerniveaus (Survival: 400 Generierungspunkte, davon max. 140 GP für Attribute & 100 N$ je GP / Standard: 450 GP, davon max. 180 GP für Attribute & 500 N$ je GP / Superior: 500 GP, davon max. 220 GP für Attribute & 5.000 N$ je GP) folgt die Gestaltung des Charakterkonzepts, also Hintergrundgeschichte, Charaktermerkmale etc. 2. Dann folgt die Wahl einer Spezies. Möglich sind Mensch, Evo, Mutant, Zeneritone, Adivasi, Prodigy und Blendling – In vielen Fällen auch gern kombiniert :-) Die Wahl bringt nicht nur regeltechnische Vor- und Nachteile, sie bestimmt zu einem gewissen Grad auch die Schwierigkeit des Spiels, da manche Spezies vom autoritären Zentrum als illegal betrachtet und deshalb kompromisslos gejagt werden. 3. Die ungesunde Umgebung hat natürlich einen Einfluss in Form von speziellen Fähigkeiten, deshalb wählt man nun Biologische Abnormitäten. 4. Im 55. Jahrhundert sind Robotik und Biomechanik weit fortgeschritten, daher besteht die Option sich Augmentierungen einbauen zu lassen. 5. Bei der Zuteilung von Werten vergibt man GP für Attribute und Fertigkeiten, deren Maximallimit bei der Charaktererschaffung ist von den vorherigen Entscheidungen abhängig. 6. Einen zufälligen Vorteil bringt der Butterfly Effect. 7. Alle jetzt noch übrigen GP werden nun in N$ umgerechnet, damit darf man nach Herzenslust Ausrüstung shoppen. 8. Zuletzt noch um Name und Ruf kümmern, dann beginnt das tödliche Spiel ;-)
Nun kann es auch schon losgehen. Die Basisregeln sind recht einfach: Man stellt sich aus Attributen und Fertigkeiten einen W6-Würfelpool zusammen, beachtet eventuelle Modifikatoren und versucht dann damit den entsprechenden Zielwert (von 5 bis 40) zu erreichen. Dabei werden alle Würfelergebnisse zusammengerechnet, was bei großen Pools durchaus auch mal in Rechnerei ausartet… Je mehr man den Zielwert übertrifft, umso besser ist die Probe gelungen. Einer dieser Würfel ist ein sogenannter Hazard-Di, welcher bei einer gewürfelten 6 „explodiert“, also nochmal geworfen werden darf. Ein wenig komplexer wird es in Kämpfen, hier gibt es verschiedenste Sonderregelungen wie etwa mehrere Angriffs- & Schadensarten sowie Trefferzonen (deren „Zerstörung“ teils den Tod des Protagonisten zur Folge hat – Was anfangs überraschend, später frustrierend schnell passieren kann ;-)). Okay, eigentlich ist das auch gar nicht mal so kompliziert, aber die Aufbereitung der Regeln im Fließtext ist für ein schnelles Nachschlagen ungünstig. Hier wären eine Übersichtstabelle oder (großer Wunsch von mir) ein Spielleiterschirm sehr hilfreich, zudem hätte ich mir der Übersicht halber einen Index gewünscht. Das 300 Seiten starke Grundregelwerk ist, bis auf einige Ausnahmen, logisch aufgebaut: Nach einer Einführung in das Thema und die Spielwelt (ca. 50 Seiten) folgen die Grundregeln (ca. 20 Seiten). Die Hälfte des Buchs befasst sich mit der Charaktererschaffung und der damit einhergehenden Erklärung der verschiedenen Attribute, Fertigkeiten, Mutationen, Augmentierungen und PSI-Fähigkeiten. Anschließend folgt ein ca. 50 Seiten starker Ausrüstungsteil, bevor das Buch mit einigen Monstern & Krankheiten sowie Beispielcharakteren endet. Leider fehlen ein Abenteuer und vorgefertigte NPCs, was den Einstieg etwas erschwert. Die gut geschriebenen, teils aber nicht optimal lektorierten Texte werden durch mehrere kleinere Geschichten sowie viele Illustrationen aufgelockert. Das Niveau variiert dabei leider stark: Von sehr atmosphärisch bis hin zu abschreckend stümperhaft ist so ziemlich alles vertreten. Die ZeichnerInnen scheinen übrigens ein echtes Faible für (halb-)nackte Frauen zu haben ;-) Das Layout an sich ist, bis auf wenige Ausnahmen (pixelige Illustrationen, schlechte Kontraste), gut. Aber immerhin handelt es sich hier um ein kleines, selbstfinanziertes (!!!) Indie-Produkt, da bin ich ein wenig nachsichtig. Auch stimmt die Produktionsqualität sowohl vom Grundregelwerk an sich (absolut faire 39,95 €) als auch von der auf 111 Exemplare limitierten, handgefertigten Collectors Edition (149,95 €). Sozusagen gratis (man kann aber auch spenden) wird das "lebendige" Regelwerk (Link) zudem monatlich erweitert :-) Fazit: Ja, man merkt dem „NoReturn Corebook“ (Link) an manchen Stellen an, dass es das selbstfinanzierte Indie-Produkt eines enthusiastischen Rollenspielers ist (Stichwort Illustrationen). Aber es wurde mit sehr viel Liebe und Herzblut entwickelt, das fühlt man einfach auf jeder einzelnen der 300 Seiten – Und es funktioniert spielmechanisch gut und vor allem, es macht Spaß :-D Wem das noch am ehesten vergleichbare Fantasy-Cyberpunk-RPG „Shadowrun“ noch viel zu viel positive Stimmung verbreitet oder wer einfach harte Action mag, sollte sich dieses Endzeit-Rollenspiel unbedingt mal anschauen!