Über die Faszination von Konfliktsimulationen, kurz CoSims, haben Herbert und ich ja schon in unserer allerersten Podcast-Episode (Link) gesprochen. Diese komplexen „Was wäre, wenn?“-Brettspiele sind ja meist in der fernen Vergangenheit angesiedelt, doch mit „LABYRINTH: Krieg gegen den Terror, 2001 - ?“ bringt der größte deutsche CoSim-Verlag „Udo Grebe Gamedesign“ (bekannt u.a. durch die hervorragende Eigenentwicklung „Fortress Sevastopol“ (Link)) die deutsche Version der vermutlich aktuell beliebtesten Gegenwarts-CoSim auf den Markt. Der Krieg gegen den Terror als Brettspiel – Kann so etwas Spaß machen? „LABYRINTH: Krieg gegen den Terror, 2001 - ?“ ist eine Konfliktsimulationen für ein bis zwei SpielerInnen. Wobei das Wort Konfliktsimulation irgendwie gar nicht richtig umschreibt, worum es hier eigentlich geht – Politiksimulation würde viel besser passen! Denn diese CoSim ist eben kein ultrarealistisches Kriegsspiel, bei der man real existierende Truppenverbände über sechseckige Schlachtfelder schickt, sondern vielmehr eine abstrakte Simulation von Geheimdienstarbeit und Diplomatie. Auf der einen Seite stehen islamistische Terrorgruppen, welche versuchen, die islamische Welt nach ihren Vorstellungen umzuformen. Hierzu setzen sie auf die Rekrutierung neuer Terrorzellen, auf öffentlichkeitswirksame Anschläge und natürlich auf Errichtung einer islamistischen Herrschaft mittels eines Dschihads. Auf der anderen Seite stehen die US-Amerikaner, welche die bedrohten Staaten politisch stabilisieren wollen und dafür auch gern mal ihre Armee hinschicken... Wie man aus der Szenariobeschreibung erahnen kann, handelt es sich hier um eine sehr asymmetrische CoSim – Denn entsprechend ihrer unterschiedlichen Ziele (USA: Viele zuverlässige Partnerländer & terroristenfreie Welt; Islamisten: Viele islamistische oder sehr schwache Länder & Anschlag mit Massenvernichtungswaffen in den USA) spielen sich die beiden Konfliktparteien grundsätzlich verschieden. Dabei ist der grundlegende Rundenablauf jedoch gleich: Die beiden Konfliktparteien ziehen jeweils bis zu neun Karten vom gemeinsamen Kartenstapel, von denen sie dann abwechselnd (stets beginnend mit dem Islamist) jeweils zwei Stück ausspielen. Mit jeder Karte kann man dann entweder das entsprechend aufgedruckte Ereignis abhandeln (z.B. würde die Karte „Sanktionen“ die Finanzierung der Islamisten um zwei Punkte verringern) oder aber deren aufgedruckten Operationswert dafür verwenden, um eine Operation (z.B. ein Regimewechsel oder eine Truppenverlegung bei den USA oder eine Zellenrekrutierung oder einen Dschihad bei den Islamisten) durchzuführen. Sollte es sich um eine „gegnerische“ Karte handeln, wird deren aufgedrucktes Ereignis trotzdem abgehandelt. Und hier bemerkt man dann spätestens die asymmetrischen Spielmechanismen: Je instabiler die jeweilige Regierung des Ziellandes, umso höher muss der Operationswert sein – Dafür klappt eine US-Operation dann aber auch. Bei den Islamisten ist der Operationserfolg dagegen nicht garantiert: Sie müssen mittels Würfelprobe feststellen, ob ihnen beispielsweise ein Anschlag gelingt. Dabei ist die 3W6-Probe umso leichter, je instabiler die Regierung des Ziellandes ist. Wie schon weiter oben geschrieben, bei „LABYRINTH: Krieg gegen den Terror, 2001 - ?“ handelt es sich trotz der Thematik nicht um ein Kriegsspiel: Einen offenen Schlagabtausch gibt es in keinem der vier Szenarien. Stattdessen stehen den beiden Kontrahenten zahllose politische und geheimdienstliche Optionen zu Verfügung (nicht umsonst gibt es beispielsweise 120 Spielkarten), die unterschiedlichste Vorgehensweisen ermöglichen. Die USA können so ein Spiel etwa sowohl rein über Diplomatie gewinnen als auch mittels dem massiven Einsatz von Armeen. Dabei scheint diese CoSim trotz der asymmetrischen Spielmechanik und trotz des hohen Glücksfaktors auf der islamistischen Seiten gut ausbalanciert zu sein. Ich kann es jedoch, nach einigen Testspielen im überraschend gut funktionierenden Solo-Modus, noch nicht mit Sicherheit sagen – Aber bei den 2018er Weltmeisterschaften (Link) lagen die recht ausgeglichenen Turnierergebnisse bei 8 US-Siegen zu 12 Islamisten-Sieg. Um aber auch nur halbwegs eine Chance bei irgendeinem Turnier zu haben, sollte man sich erst einmal gründlich in die Spielregeln einarbeiten. Und das dauert... Ich will gar nicht verhehlen, dass sich diese CoSim wirklich viel Mühe gibt: Neben dem eigentlichen Regelwerk (20 Seiten, CoSim-typisch mit Unter-Unterpunkten zu Unterpunkten, etwa 9.4.2.6.2 :-P) enthält die überraschend schwergewichtige Pappschachtel auch das 28 Seiten umfassende Spielerhandbuch, welches neben zwei Beispielrunden auch die hilfreichen Gedankengänge des Autors Volko Ruhnke sowie historisches Hintergrundmaterial enthält. Zudem enthalten sind zwei jeweils vierseitige Spielhilfen und ein doppelseitiger Anhang mit der Übersetzung des englischsprachigen Original-Spielplans. Doch trotz all dieser Hilfestellungen ist die Einarbeitung recht hart: Einen ganzen Nachmittag kann man da schon rechnen, mit einem anschließenden Testspiel kann es dann auch schon mal bis in die Abendstunden gehen. Hat man die Spielmechaniken dann aber erst einmal verinnerlicht, geht es doch sehr viel schneller, aber bis zu den in manchen CoSim-Foren veranschlagten anderthalb Stunden ist es dann doch noch ein weiter Weg ;-) Die Übersetzung von „Udo Grebe Gamedesign“ (welche mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben) ist insgesamt geglückt, denn ich habe lediglich vernachlässigbare Fehlerchen gefunden. Jedoch hat es mich trotz doppelseitigem Übersetzungszettel dann doch gestört, dass der ein wenig überbordend designte Spielplan und die zahlreichen Pappplättchen in englischer Sprache vorlagen. Klar, ich sehe ein, dass sich eine Komplett-Lokalisierung bei einer so kleinen deutschen Auflage nicht lohnt, aber ich wollte halt einfach mal rummeckern ;-) Für wenig gelungen halte ich zudem die Formulierung Moslem-Staaten. Klar, man weiß, was gemeint ist, aber stellen wir uns mal im Umkehrschluss vor, die Übersetzung für Israel wäre Juden-Staat gewesen – Das hat halt ein kleines Geschmäckle... Enthalten sind neben dem aus stabiler Pappe bestehenden, 22 x 34 Zoll großen Spielplan noch das Regel- und das Spielerhandbuch, die beiden vierseitigen Spielhilfen (je eine für die USA und eine für die Islamisten), der Übersetzungszettel, 120 arg nüchtern designte Spielkarten, 156 doppelseitig bedruckte Pappplättchen, 15 Holzwürfel, 15 Holzzylinder und vier Würfel. Dafür werden im UGG-Verlagsshop 59,99 € (bzw. 53,99 € mit Rabatt) verlangt, was im Rahmen vergleichbarer CoSims liegt. Fazit: Ich glaube, man konnte bisher herauslesen, dass ich von „LABYRINTH: Krieg gegen den Terror, 2001 - ?“ (Link) ziemlich angetan bin. Ja, es ist sehr komplex und ja, es ist ein sehr streitbares Szenario. Aber das asymmetrische Spielprinzip, die zahlreichen taktischen Möglichkeiten und nicht zuletzt der gut funktionierende Solo-Spielmodus machen diese Politiksimulation, deren Fokus auf Diplomatie und Geheimdienstarbeit liegen, zu einem echten Geheimtipp nicht nur für CoSim-Fans :-D