Aus Deutschland kommen nicht nur berühmte Brett- und Rollenspiele, sondern auch ambitionierte Konfliktsimulationen (beispielsweise die jeweils mit einem SILBERNER STEPHAN-Leserpreis ausgezeichneten „Hindenburg's Hour: The Tannenberg Campaign 1914“ (Link, ausgezeichnet 2017) und „STRATAK WARS – Der Auftakt“ (Link, ausgezeichnet 2016)). Ein Nischenmarkt, der sich allerdings im internationalen Wettbewerb behaupten kann :-) Zu den wichtigsten Verlagen der deutschen CoSim-Branche gehört dabei zweifelsohne „Udo Grebe Gamedesign“ (Link), welcher mit „Fortress Sevatopol“ von Christian Diedler (Link zum Interview) einen bei CoSims eher selten beachteten Kriegsschauplatz in den Fokus rückt.
„Fortress Sevastopol“ ist eine vom Regeldesign her mittelkomplexe, asymmetrische Konfliktsimulation für zwei Spieler, bei der die Achsenmächte (Nazi-Deutschland und Rumänien) versuchen müssen die sowjetische Schwarzmeer-Festung Sewastopol einzunehmen. Dazu haben sie (im längsten der drei Szenarien) 17 Runden Zeit, was dem Zeitraum von Oktober 1941 – Juli 1942 entspricht. Aber wie genau läuft denn so eine Runde nun ab?
1. Man beginnt mit der Chit Draw Phase, in welcher jeder Spieler Ereignisplättchen zieht, welche Spielvorteile wie Minen und Partisanen bringen. Deren Anzahl ist jeweils vorgegeben, ebenso zu welchem Zeitpunkt sie eingesetzt werden dürfen. 2. Dann folgt die Preparation Phase, in welcher man Verstärkungen platziert, aber auch benutzte Einheiten historisch korrekt vom Kriegsschauplatz abzieht. 3. In der Operations Phase geben die Spieler abwechselnd (bis auf eine Ausnahme beginnend mit dem sowjetischen Spieler) ihre Befehle/Impulse, beispielsweise Bewegung, Angriff, Bombardierung, Reaktivierung oder Neugruppierung. Mittels W6-Proben werden in dieser Phase auch das Wetter und das Rundenende ausgewürfelt. 4. Eines der Ereignisplättchen darf man behalten, die restlichen werden in der Chit Discard Phase abgelegt. 5. In der Refit Phase werden angeschlagene Einheiten mittels Supply Points aufgefrischt, auch hier darf wieder der Sowjet-Spieler beginnen. Ungenutzte Punkte gehen in die Reserve. 6. In der Administration Phase werden dann bis zu sechs Einheiten, welche zuvor den Neugruppierungsbefehl/-impuls bekamen, in freie Gebiete verlegt. Auch Hauptquartiere können neu positioniert werden, eh man in der Game Turn Indication Phase die Siegbedingungen checkt und gegebenenfalls das Wetter für die nächste Runde anpasst.Kommt es zum Kampf, vergleichen beide Spieler ihre Kampfwerte. Diese setzen sich zusammen aus dem Grundwert der Einheit, jeweils einem Dutzend möglicher Angriffs-/Verteidigungs-Modifikatoren sowie einem W6-Schadenswurf. Je nach dem Ergebnis bekommt der Verlierer dann Schaden und muss sich eventuell zurückziehen, während der siegreiche Angreifer die Stellungen möglicherweise überrennen kann – Es braucht etwas, bis man alle Spielmechaniken verstanden hat. Denn zugegeben, man muss sich schon intensiv in das Regelsystem einarbeiten. Es bietet dafür aber auch allerlei taktische Optionen (neben „normalen“ Angriffen und Bombardierungen kann man auch Spezialmanöver wie etwa Brückenzerstörung/-wiederaufbau, den Bau improvisierter Feldbefestigungen und amphibische Landungen durchführen), welche das schmucklose DIN-A4-Regelheft letztendlich auf 24 Seiten mit zahllosen Zwischenschritten und Unterpunkten aufblähen. Dank der zweiseitigen Spielhilfen und einem downloadbaren (Link) Tutorial (beide sind, ebenso wie das Regelheft, auf englisch) wird einem der Einstieg aber im Vergleich zu anderen Hardcore-Cosims doch merklich erleichtert. Wie schon bei meinem letzten CoSim "Medieval Conspiracy" (Link, naja ist eher ein komplexes historisches Brettspiel und weniger CoSim...) von „Udo Grebe Gamedesign“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsmuster zur Verfügung gestellt hat) gibt es das Spiel auch diesmal wieder in typischer CoSim-Qualität: Die stabile Pappschachtel enthält neben dem großen Spielplan auch 228 übersichtlich designte Pappplättchen, das Regelheft, zwei doppelseitige Spielhilfen und vier Würfel. Wenn man bedenkt, dass das Spiel von einem Kleinverlag für einen Nischenmarkt produziert wurde, geht der Preis von 35,69 € durchaus in Ordnung. Fazit: „Fortress Sevastopol“ (Link) ist eine spielmechanisch gut designte Konfliktsimulation, welche Freunde komplexer Taktikspiele einen bisher eher stiefmütterlich behandelten Kriegsschauplatz in, je nach Szenario, 3 – 12 Stunden nacherleben lässt. Wie bei allen CoSims muss man sich erst in das Regelwerk einarbeiten, als Lohn der Mühe warten dann aber zahlreiche taktische Möglichkeiten.