Die österreichischen SpieleentwicklerInnen von „rudy games“ sollten den brettspielbegeisterten LeserInnen meines Blogs mittlerweile sicher ein Begriff sein, immerhin haben sie in den letzten Jahre gleich zweimal Edelmetall (2018 gab es Gold für „INTERACTION“ (Link) und 2016 Silber für „LEADERS: a combined game“ (Link)) beim „Publikumspreis für Eskapismus, Nerdkultur & Phantastik“ (Link) eingeheimst. Ganz knapp (3 Stimmen haben bei 1397 TeilnehmerInnen gefehlt!) vorbei am Edelmetall schrammte im letzten Jahr ihr neues Kartenspiel „Lost Galaxy“ – Und da frag ich mich in dieser Rezension doch: Geht das okay oder wäre auch hier Edelmetall verdient gewesen?
Wie schon in der Einleitung geschrieben, ist „Lost Galaxy“ ein Kartenspiel von der Spielefirma „rudy games“ aus Linz. Diese ist spezialisiert auf einsteigerfreundliche Gesellschaftsspiele, welche stets in Kombination mit einer digitalen App gespielt werden. Dabei sind die einzelnen Spielkomponenten (beispielsweise Würfel und Spielbrett; in „Lost Galaxy“ die 120 Karten) in physischer Form vorhanden, die App übernimmt die Funktion als Schiedsrichter, Regelbuch, Ereignisauslöser und Zufallsgenerator. Dabei war die App in den bisher von mir rezensierten Brettspielen jeweils nur, um mal ein wenig despektierlich zu sein, eine Art „Erleichterung“ – Schön, dass sie da war, aber wirklich gebraucht hätte man sie nicht :-P Bei „Lost Galaxy“ liegt die Sache nun ein wenig anders: In der Pappschachtel befinden sich keine Regeln, sondern nur die Spielkarten – Was man damit genau anfangen soll, erfährt man erst, wenn man sich die (wie immer stabil programmierte und auch auf Mittelklasse-Smartphones gut lauffähige) App heruntergeladen hat. Also rasch aufs Handy/Tablet gezogen, die Registrierung ausgefüllt und schon kann es mit dem interaktiven Tutorial losgehen :-)
Das eigentliche Spielprinzip ist gar nicht mal so kompliziert: Die Galaxie ist verloren (daher der Spielnamen ;-)) und vier verschiedene Fraktionen versuchen nun, möglichst viele Planeten vor der Supernova zu evakuieren. Dies funktioniert folgendermaßen: Zuerst legt man das Handy/Tablet in die Mitte des Tisches (es stellt quasi das Zentrum des Sonnensystems dar), startet die App und wählt seine Fraktion (z.B. Cyborgs & Mechs) aus. Rund um das Handy/Tablet stehen nun acht Anlageplätze zur Verfügung, auf welche man Planetenkarten ablegen kann. Diese Planetenkarten gibt es in vier verschiedenen Farben (passend zu den Fraktionen) und vier verschiedenen Entwicklungsstufen. Auf diese Anlagefelder kann man nur Planetenkarten der Stufe 1 spielen (die Farbe ist egal, die wird erst für die Wertung wichtig). Auf diese wiederum kann man weitere Planetenkarten spielen, welche eine um eins höhere oder niedere Stufe haben – Dabei gibt es keine Begrenzung, man kann also auch mal einen 10er-Stapel haben, wenn man sich immer gegenseitig auf- und abstuft ;-) Keine Begrenzung gibt es auch bei der Anzahl der Aktionen: Die SpielerInnen können so viele Karten von der Hand ausspielen, wie sie wollen. Hat dann ein Planet endlich die Stufe 4 erreicht, kann man ein Evakuierungsschiff drauflegen, damit man den Stapel erhält. Bis hierhin recht simpel, oder?
Zusätzliche Würze bringen neben den Zufallsereignissen und den Spezialfähigkeiten (etwa sieben statt sechs Handkarten oder eine Evakuierung schon auf Stufe 3) auch drei verschiedene Sonderkarten, mit denen man dem Gegner in die Parade fahren kann: Mit dem Planetenzerstörer zerstört man Planeten (wer hätte das bei dem Namen gedacht?), mit dem Schild verhindert man eben dies und mit dem Traktorstrahl hält man gegnerische Raumschiffe fest, sodass die entsprechenden SpielerInnen aussetzen müssen. Außerdem fliegt ab und an ein kleiner Satellit durchs Bild, der zwei Bonuskarten bringt, wenn man rasch genug draufdrückt... Und so geht es dann reihum, immer wieder, bis irgendwann – wann genau, weiß man nicht – die Sonne explodiert. Dann wird abgerechnet, logischerweise gewinnt man mit den meisten Punkten :-) Allerdings geht „Lost Galaxy“ über mehrere Runden, sodass ein gewonnenes System noch lange nicht für den Gesamtsieg reicht!
Das klingt ja nun nach einem eher simplen Stich-Kartenspiel, da stellt sich natürlich die Frage: Macht das denn jetzt überhaupt Spaß? Die kurze Antwort wäre ein simples „Ja!“, aber die lange Antwort ist ein wenig differenzierter: Ja, es macht Spaß, aber nur wenn man an simplen Stich-Kartenspielen seine Freude hat und sich zusätzlich an einer Mischung aus analog und digital begeistern kann. Ich habe „Lost Galaxy“ über mehrere Monate hinweg mit verschiedensten Spielgruppen getestet und bekam gemischtes Feedback: Ausgesprochen positiv war die Resonanz bei der Kinderbespaßung (Altersempfehlung ab 8, das passt :-)) und bei langen Spieleabenden als leichtgewichtiger Rausschmeißer (Spielzeit ungefähr eine viertel Stunde je Runde). Bei GelegenheitsspielerInnen, die mal zwei Stündchen Zeit hatten für ein Brettspiel, kam es dagegen nicht ganz so gut an, da ihnen die Spielmechanik dann doch zu simpel war, um über eben jene zwei Stunden zu unterhalten. Oder anders formuliert: Für Kinder kann man „Lost Galaxy“ durchaus als Hauptattraktion verwenden, für Erwachsene ist es eher eine nette Zugabe.
Der letzte Satz klang jetzt schon fast wie ein Fazit, doch bevor ich ihn wiederhole, will ich noch schnell auf die Produktionsqualität von „rudy games“ (welche mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) eingehen: Die analoge Komponenten sind vollkommen in Ordnung, halt typische Kartenspielqualität, die digitale Komponente (also der App) ist wirklich gut. Die läuft stabil, ist funktional designt und erklärt die Regeln gut – Bei all den Testspielen gab es lediglich ein einziges Mal eine Regelfrage, welche die App nicht beantworten konnte. Aber dafür ist der Support von „rudy games“ ja bekanntermaßen ziemlich schnell, sodass ich diesen Einzelfall nicht negativ ankreiden würde ;-) Preislich schlägt das Spiel mit 15,80 € zu buche, was ich (gerade da wir ja alle wissen, dass es bei den meisten Händlern noch etwas billiger angeboten wird) als angemessen erachte. Daher wiederhole ich jetzt als Fazit einfach meinen letzten Satz vom vorherigen Absatz: Für Kinder kann man „Lost Galaxy: Das intergalaktische Kartenspiel“ (Link) durchaus als Hauptattraktion verwenden, für Erwachsene ist es eher eine nette Zugabe.