Ich kann mich ja ziemlich für Alternativgeschichte begeistern und so war ich durchaus neugierig, als der renommierte „Splitter Verlag“ die kleine, aber feine Graphic Novel „Arale“ ankündigte. Denn anders als in den meisten Geschichten dieser Art ging es mal nicht um das ausgelutschte „Nazis gewinnen den 2. Weltkrieg“-Konzept, sondern um einen immer fortwährenden 1. Weltkrieg, in welchem das zaristische Russland die Oktoberrevolution verhindern konnte und zudem mittels Kampfrobotern (ach, ich liebe Kampfroboter :-D) die Schlachtfelder beherrscht. Mal schauen, ob meine hohen Erwartungen erfüllt wurden.
1934 droht das russische Zarenreich mal wieder ins Chaos zu stürzen. Nicht, weil es den Ersten Weltkrieg zu verlieren droht (dank nagelneuer Kampfroboter ist ein Sieg ein Selbstläufer – zumindest laut Propaganda ;-)) oder weil irgendwelche Revolutionäre erneut das Proletariat vereinigen. Sondern weil auf Zar Nikolaus II. ein Attentat verübt wird – Und weil der mittlerweile den gottgleichen Nimbus der Unsterblichkeit innehat, könnte an seinem Tod das ganze Reich zerbrechen... Ohne jetzt groß zu spoilern, weil das gleich auf den ersten paar Seiten passiert: Dank der fürsorglichen und irgendwie auch okkulten Pflege des Zauberers Rasputin lebt der Zar weiter – Allerdings in einer Art Koma, da sein Geist im Limbus gefangen ist. Um ihn da wieder rauszuholen braucht es einen echten Helden, und den hat die russische Propaganda auch gleich zur Hand: Kyril Noskov, als Ziehsohn der Hexe Baba Jaga ein knallharter Typ, der zusammen mit seiner Frau Saskia Urdin und nur einem weiteren Kameraden in läppischen zehn Tagen Berlin eingenommen hat! Mittels modernster Steampunk-Zauberei-Maschinerie soll er sich nun durch den grotesk-phantastischen Limbus zum Geist des Zaren durchkämpfen... Seine Frau Saskia, welche normalerweise mit ihm zusammen die jugendlichen Kampfroboter-PilotInnen ausbildet, untersucht währenddessen, warum man von den RekrutInnen nach ihrer Ausbildung nie wieder etwas hört – Und sie muss entdecken, zu welchen großen Opfern der Zar und Rasputin mittlerweile bereit sind...
„Arala“ ist tatsächlich der tolle Alternativgeschichtscomic, den ich erwartet habe: Da ist natürlich zuerst einmal das Offensichtliche: Die düsteren Zeichnungen von Illustrator Denis Rodier und Kolorist Bruno Tatti fangen die bedrohliche, kalte Atmosphäre der alternativhistorischen Setting-Mixtur perfekt ein. Und wo ich gerade das Stichwort Setting-Mixtur nenne: Faszinierend! Die Mischung aus dem realweltlichen Zarenreich des frühen 20. Jahrhunderts, den Steampunk-Fahrzeugen und – Apperaturen sowie einem gehörigen Schuss dunkelster (Märchen-)Phantastik zog mich sofort in ihren Bann. Nicht ganz mithalten kann da die Geschichte. Denn die ist zwar interessant, einige Plot-Wendungen waren dann aber doch vorhersehbar. Auch die Charakterisierung der handelnden Figuren war zumeist nur zweckmäßig. Aber das muss man dann wohl in Kauf nehmen bei einem gerade mal 64 Seiten umfassenden Comic, der vom „Splitter Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat) in gewohnt hochwertiger Qualität gedruckt wurde. Den Preis von 15,80 € für ein großformatiges Hardcover geht nach meinem Dafürhalten voll in Ordnung.
Fazit: „Arale“ (Link) ist ein atmosphärisch gezeichneter Alternativgeschichtscomic mit einer interessanten Geschichte. Das eigentliche Highlight ist aber der faszinierende, wenn auch recht düstere Setting-Mix. Empfehlenswert!