Die Brett- und Kartenspiele von Bernd Eisenstein (Link zum Interview), welche er selbst in seinem Kleinverlag „Irongames“ verlegt, haben es bei aller spielerischer Qualität doch irgendwie nie so richtig aus der Indie-Nische herausgebracht. Das könnte möglicherweise auch an der Präsentation der Spielregeln liegen (siehe z.B. „Peleponnes Card Game“ (Link)), denn diese gehörte – neben einem gelegentlich fehlenden Spielfokus (siehe z.B. „Phalanxx“ (Link)) – nach meiner Erfahrung bisher immer zu den größten Schwachpunkten. Daher freut es mich umso mehr - HörerInnen unseres Podcasts (Link) wissen es bereits - dass Bernd mit „Pandoria“ nun diese beiden Schwachpunkte weitestgehend beseitigt hat und damit erstmals ein massentaugliches Indie-Strategiespiel publizierte, welches selbst die SpielerInnen ansprechen wird, deren Brettspielhorizont sonst bei „Die Siedler von Catan“ endet ;-) Fünf Fantasy-Flüchtlingsvölker entdecken das geheimnisvolle Pandoria – Ein fruchtbares Land, das nur so vor Ressourcen strotzt. Die Völker (typische Klischeerassen wie Zwerge und Elfen mit eigenen Vor- & Nachteilen) müssen nun möglichst viele Ressourcen abbauen, um damit Gebäude zu errichten und Zaubersprüche zu beschwören. Dabei stehen sie in einem zwar friedlichen, aber erbitterten Wettbewerb, bei dem sie mittels strategischer Verlegung von Terrain-Doppelplättchen und geschicktem Anti-Workerplacement den Sieg erringen. Am Anfang liegt das fruchtbare Pandoria noch weitestgehend unberührt da. Lediglich die zwei Doppel-Startplättchen und einige Ressourcen-Plättchen, Auswärtspfade und Seegebiete sind auf dem in Hexfelder unterteilten Spielplan bereits vorgegeben. Im Uhrzeigersinn abwechselnd handeln die SpielerInnen dann jeweils ihre Züge ab, die sich in unterschiedliche Phasen unterteilen:
1. Zuerst wird jeweils ein Doppelplättchen (oder unter seltenen Umständen eine Burg oder ein Einzelplättchen) platziert. Dieses setzt sich zusammen aus zwei miteinander verbundenen, einzelnen Hexfeldplättchen, auf denen jeweils eine der vier Ressourcen Kristalle (für Zaubersprüche), Holz (für Gebäude), Gold (zum Kauf von Spielkarten) oder Ruhm (daher Siegpunkte) abgedruckt sind. Nun legt man das Doppelplättchen also irgendwo an. Wie genau ist eigentlich egal, solange man es nicht auf ein vorgedrucktes Feld, ein anderes Plättchen oder den Spielfeldrand legt. Nach der Platzierung werden die Spielfiguren entfernt, die auf einem Ressourcengebiet (eines oder mehrere zusammenhängende Plättchen, welche die gleiche Ressource aufgedruckt haben) stehen, welches komplett von anderen Ressourcengebieten umschlossen wurde. 2. Anschließend darf man eine Spielfigur auf eines der beiden Felder des gerade platzierten Doppelplättchens abstellen oder aber eine andere, irgendwo bereits rumstehende eigene Spielfigur entfernen. 3. Nun darf man eine derjenigen Spielkarten verwenden, welche man auf der Hand hat. Auf diesen abgedruckt sind jeweils ein Zauber und ein Gebäude. Ein Zauber funktioniert einmalig und wird mit Kristallen bezahlt. Ein mit Holz bezahltes Gebäude (maximal fünf) bleibt dauerhaft bestehen, sodass sich dessen Effekt über den gesamten Spielverlauf hinstreckt. Außerdem kann man ein bestehendes Gebäude mit einem Monument überbauen, was dann zwar dessen Effekt hinfällig werden lässt, dafür aber ordentlich Siegpunkte bringt. 4. Nun wird es erst richtig interessant: Hat man im ersten Spielschritt ein Ressourcengebiet vollständig umschlossen, bekommen alle SpielerInnen, welche auf einem angrenzenden Spielplättchen eine Spielfigur stehen haben, die entsprechende Ressource ausgeschüttet. Dabei wird die Anzahl der eigenen, angrenzenden Spielfiguren mit der Anzahl der betreffenden Ressourcenplättchen multipliziert, wobei Anführer doppelt zählen. Beispielsweise, wenn das Ressourcengebiet aus fünf Kristallfeldern besteht und man auf angrenzenden Plättchen zwei Spielfiguren platziert hat, dann bekommt man – weil 5 x 2 = 10 – ganze zehn Kristalle! Diese werden bis zu einer Anzahl von 10 Stück auf dem Spieltableau gelagert, alle Mehreinnahmen werden im Verhältnis 3:1 in Siegpunkte getauscht. Daher, um beim Beispiel zu bleiben: Wenn man bereits drei Kristalle im Lager hatte, nun also zehn Stück dazu bekommt, dann speichert man sieben Kristalle (3 + 7 = 10) und der Überschuss aus der Kristallen wird in einen Siegpunkt verwandelt. Es lohnt sich aber auch schon kleine Gebiete abzufarmen, denn nur wenn man ein Ressourcengebiet verwertet hat, darf man sich eine neue Spielkarte kaufen. 5. Zuletzt zieht man ein neues Doppelplättchen vom verdeckten Nachziehstapel, welches man dann in seiner nächsten Runde wieder auslegen muss…
Und das geht immer so weiter, bis der Stapel leer ist und die Endwertung beginnt. Diese erreicht man, je nach Spielerzahl (2 – 5) und Spielmodus (neben den „normalen“ Regeln gibt es auch eine einfache Familienvariante ohne Völkerspezialfähigkeiten und sogar Regeln für ein kooperatives Spiel), mit etwas Spielerfahrung nach ungefähr 90 Minuten und beim erstmaligen Spiel nach rund 120 Minuten. Denn anfangs muss man sich dann doch ein wenig in die Regeln einarbeiten, was weniger am mehrsprachigen und für Bernd-Verhältnisse ungewöhnlich kurzen und verständlichen Regelbuch (Link) liegt, als vielmehr an der Verwendung von Piktogrammen auf den Spielkarten. Aber ist man erstmal drin in der Materie, dann hat man hier eines der besten Brettspiele des Jahres 2018 auf den Tisch! Die Mischung aus „Die Siedler von Catan“ und „Carcassone“ geht flüssig von der Hand, zudem bietet der Spielmechanismus des antizipierenden Anti-Workerplacements eine hervorragende Abwechslung – Es ist halt einfach viel spannender, wenn man seine Spielfiguren eben nicht auf die gewünschten Ressourcen stellen muss, sondern daneben. Und es ist unglaublich befriedigend, wenn man anderen SpielerInnen ihre Gebiete verbaut (etwa indem man eine Lücke drin lässt oder sie an einen wertungsverhindernden Außenpfad legt) oder die Gebiete ihrer Spielfiguren umschließt, sodass sie vor der Wertung vom Spielfeld genommen werden müssen :-) Das Spielmaterial ist ansprechend designt und von ordentlicher Qualität, sodass der Preis von ungefähr 40 € für einen Indie-Verlag in Ordnung geht. Fazit: „Pandoria“ (Link) ist ein wirklich gut gelungenes Anti-Workerplacement-Strategiespiel, welches zugänglich genug ist, um auch „normale“ BrettspielerInnen zu begeistern :-D