Ich war gestern im Kino und habe „Phantastische Tierwesen 2: Grindelwalds Verbrechen“ (Link) gesehen. Was das mit der Graphic Novel „Das Herz der Amazonen“ zu tun hat? Beide haben ein cooles Thema und sind optisch gelungen präsentiert, kranken aber an einem schwankenden Erzähltempo und einer etwas diffus erzählten, aufgefaserten Handlung rund um Traditionen, Aufbegehren und verbotene Liebe...
Während um die strategisch bedeutsame Stadt Troja eine jahrelange Belagerungsschlacht tobt, machen sich in einem verzauberten Wald direkt nebenan die Amazonen zum Kampf bereit. Doch die Kriegerinnen wollen weder Ruhm noch Ehre, sondern einfach nur Gefangene für das anstehende Blumenfest. Das ist so eine Art tagelange Dauerorgie, in dessen Folge möglichst viele Frauen schwanger sind und alle Samenspender tot – So will es die Tradition. Nun muss man dieser Tradition tatsächlich zugestehen, dass sie sich die letzten paar Generationen bewährt hat: Dem matriarchalen Königreich geht es gut, man ist autark, glücklich und sehr selbstbewusst... Doch ausgerechnet Penthesilea, die junge Königin, hadert mit ihrem Schicksal: Sie darf sich nur von einem heldenhaften, idealerweise adeligen Gefangenen schwängern lassen, doch die sind in den Kriegswirren schwer zu finden. Letztendlich erkort sie Achill aus, der sie jedoch gefangen nimmt und somit die Machtverhältnisse vertauscht. Und diese Niederlage ist nur der Beginn des schleichenden Verfalls von Penthesileas Herrschaft, denn sie bricht gleich mehrere strenge Verbote: Erst verliebt sie sich in ihren Samenspender, dann will sie ihre männliche Leibesfrucht nicht töten. Das wiederum sorgt für Unruhe und Wut unter den Amazonen, die über Generationen hinweg unter diesen Verboten gelitten haben...
Die vielseitige Autorin Géraldine Bindi erzählt auf 160 Seiten vom Untergang des Amazonenreiches. Dabei mischt sie zwei griechische Mythen (Amazonen & Troja) miteinander, was prinzipiell auch gut funktioniert. Leider zerfasert sich diese Mixtur aber gerade im Mittelteil etwas, wenn verschiedenste ProtagonistInnen verschiedenste Dinge tun, die sich erst im Nachgang als kleine Puzzlesteine des Niedergangs herausstellen. Dann jedoch kommt durchaus so etwas wie ein kleiner Aha-Effekt, mit dem die bis dahin vorhandene Skepsis plötzlich in Begeisterung umschwingt :-D Ebenfalls skeptisch war ich zu Beginn ob des ungewöhnlichen Zeichenstils, bei dem manche Panels durchgehend koloriert, andere jedoch als reine schwarz/weiß-Zeichnungen und die meisten in gemischter Form (also teilkoloriert) präsentiert werden. Daran gewöhnt man sich dann aber recht schnell und dann weicht die Skepsis immer weiter einer unverhohlenen Begeisterung, denn dieser Zeichenstil passt einfach ganz hervorragend zu dieser historisch-mythischen Geschichte. Eine kleine Warnung sei aber gesagt: Ich habe noch nie eine Graphic Novel gelesen, bei der es so viele Geschlechtsteile zu sehen gab ;-)
Fazit: Ich hatte schon lange keine Graphic Novel mehr in der Hand, bei der sich meine Meinung zum Ende hin so stark änderte. Denn auch wenn die Präsentation überzeugt, die aus zwei Mythen zusammengemixte Geschichte wirkt bis weit in den Mittelteil zerfasert und überladen. Aber dann kommt plötzlich das Aha-Erlebnis und dann ist man von „Das Herz der Amazonen“ (Link) begeistert :-)
PS: Aus Gründen gibt es diesen Monat Screenshots statt Fotos. Sämtliche Bildrechte liegen beim „Splitter Verlag“, welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsmuster zur Verfügung stellte.