Die Entwickler des deutschen Dark Fantasy-Rollenspiels "Arakne - Chroniken der Helden" (Link) hatte ich ja schon vor einiger Zeit im Indie-Interview #31 (Link) befragt. Nun haben sie ihre Schnellstarter-Crowdfunding hinter sich gebracht und neue Pläne - Logisch, dass ich da einfach nochmal nachfrage :-) Hallo Justus. Du hast Dich ja schon im vorherigen Interview vorgestellt, aber darfst es hier gern nochmal tun.
"Hallo Philipp, das mach ich doch, wenn man auch nur einmal neu und dann für immer alt sein kann. Ich bin einer der sieben Entwickler von "Arakne - Chroniken der Helden" und kümmere mich da mit Vorliebe um die Weltentwicklung und eigentlich um alles was mit Texten zu tun hat."
Und da das "Arakne"-Team ja etwas größer ist: Wer ist noch alles dabei?
"Da sind noch dabei Daniel, Marcus, Michael, Mike, Stefan und Jochen (welcher allerdings nicht mehr aktiv dabei ist). Wir haben uns vor über 15 Jahren als Rollenspieltruppe gefunden und dabei einfach angefangen unser eigenes System zu entwickeln, welches wir jetzt zu Papier und auf den Markt bringen."
Dieses Interview soll sich speziell um den neuen Schnellstarter drehen, der ja erfolgreich per Crowdfunding finanziert wurde. Herzlichen Glückwunsch! Wie fühlt sich das eigentlich so an, wenn man ein erfolgreicher Crowdfunder ist?
"Danke schön! Das fühlt sich erst einmal richtig gut an. Wir hatten zwar im Vorfeld schon ordentlich die Werbetrommel gerührt, Cons besucht, Facebook-Follower gesammelt usw., aber so selbstverständlich ist es dann doch nicht, dass so ein Crowdfunding klappt. Da gebührt unser Dank natürlich besonders unseren Unterstützern, die uns das Vertrauen entgegen gebracht haben. Man könnte ja meinen, dass wir bei einem so kleinen Indie-Projekt hauptsächlich Freunde und Bekannte unter diesen zählen könnten. Die machten aber tatsächlich nur einen sehr kleinen Anteil aus und Menschen aus der ganzen Republik haben uns unterstützt. Das ist schon ein seltsames, aber tolles Gefühl, dass wir Menschen von weither für unsere Ideen und unsere Arbeit begeistern konnten."
Kannst Du bitte etwas zum Schnellstarter erzählen? Also beispielsweise, wie viele Seiten er enthält und was alles enthalten ist.
"Gerne doch. Wir haben den Schnellstarter mit 48 Seiten etwas breiter aufgestellt, was unseren schon eher zu einem Einsteigerprodukt macht. Da gab es mal einen Dorpcast zu dem Thema, der sich etwas mit dem Unterschied auseinandergesetzt hat. Enthalten ist ein Abenteuer, welches ein bis drei Spielabende füllen kann und alle Regeln, die man für das Abenteuer braucht. Informationen zur Welt haben wir in den Nicht-Spieler-Charakteren des Abenteuers und im Plot verpackt. Die kommen also dynamisch im Abenteuer vor, genau da wo man sie braucht. In digitaler Form kommen dann noch sechs Spieler-Charaktere hinzu, die wir auch mit einer "Anleitung" versehen haben, also quasi dem Notizzettel zum Charakter mit allen wichtigen Informationen an einer Stelle. Dazu dann auch noch die fünf Lagekarten des Abenteuers zum Ausdrucken und einen Brief als Handout."
Und fast noch interessanter: Was ist alles nicht enthalten? Daher, wo musstet Ihr Kompromisse machen, um den Schnellstarter nicht zu sehr aufzublähen oder die SpielerInnen zu überfordern?
"Wir haben die Regeln nicht vereinfacht, sondern stattdessen nur die Regeln in Originalform ausgewählt, die man für das Abenteuer benötigt. So fallen schon einmal der Großteil der Listen zu Fertigkeiten, Talenten, Vorzeichen, Waffen und Rüstungen weg. Zwei Charakterklassen, der Paladin und der Alchemist, sind auch noch nicht unter den Spieler-Charakteren vertreten. Wir stellen gerade auch noch Baukastensysteme für Magie, Handwerk und einige Fertigkeiten der Klassen fertig, die ebenfalls noch nicht enthalten sind. Gerade bei der Magie wäre das zu umfangreich geworden, da wir erst die gesamte Arkanphysik der Welt und die Wissenschaft diese zu manipulieren erklären müssten. Viele Regelelemente wie diese, die später kreativ und eigenständig von den SpielerInnen eingesetzt werden sollen, sind einfach zu offen, um sie auf begrenztem Raum richtig rüberzubringen. Wir haben uns darauf konzentriert die Grundlagen des Regelsystems so wasserdicht und überzeugend wie möglich darzustellen, um den SpielerInnen nicht nur das Rätselraten zu ersparen, sondern auch insgesamt einen kompakteren und überzeugenderen Gesamteindruck der Regeln zu geben. Im Abenteuer sind zwar Grundlagen zur Welt jenseits der letzten Rast enthalten, aber auch da war der Platz natürlich begrenzt, um die Handlung nicht zu kurz kommen zu lassen. Wir haben uns also mehr auf die Details der Handlung und diesen einen Ort, die Herberge der letzten Rast, konzentriert und so viel wie möglich der Welt außerhalb in die Herberge geholt. So gibt es zwar eine Karte vom gesamten Kontinent, jedoch lernen die SpielerInnen nur Bewohner einiger Orte kennen, die darauf abgebildet sind. Die Magie und Arkanphysik wird im Plot auch erst einmal nur angerissen, was jedoch ganz gut zum Wissensstand der Charaktere und der meisten Bewohner Araknes passt."
Ihr habt für ja als Beispielabenteuer einen recht offenen Detektiv-Plot in einer kleinen, abgeschlossenen Spielwelt gewählt. Warum genau? Und spiegelt dieses Abenteuer die Ausrichtung wieder, die Ihr für "Arakne" geplant habt?
"Für uns stand neben den Grundlagen der Regeln und der Welt gerade die Stimmung von "Arakne" im Vordergrund: Finster und geheimnisvoll, überwältigend übernatürlich bis abstoßend realistisch. Diese Aspekte treten im Abenteuer deutlich hervor. Die Lovecraft'sche Idee eines Mythos von übermächtigen Wesen, die sich nicht um die sinnlose Existenz der Sterblichen darin scheren, macht Arakne auch stark aus, jedoch eben mit einem eigenen Spin der sich zwar in einer Fantasywelt befindet, aber eben darüber hinaus denkt. In der fertigen Fassung wollen wir für die/den SpielleiterIn alles "Unerklärliche" erklären, sodass Seltsames für die Spieler zwar geheimnisvoll bleibt, jedoch für den Spielleiter und irgendwann auch für die Spieler klaren Prinzipien folgt. Das ermöglicht dann auch die selbstständige Entwicklung von Abenteuern und Kampagnen ohne auf besondere Veröffentlichung zu diesen Themen warten zu müssen. Die allgemeine Offenheit Araknes, in der Spieler letztlich alle unsere Vorgaben und Vorschläge zu Regeln und zur Welt kreativ einsetzen oder umwandeln können, sollte ebenfalls ein zentrales Element des Schnellstarters sein. Mit dem kompakten Spielort wollten wir einerseits sicher gehen, dass die Möglichkeit sich frei auszutoben gerade für die/den SpielleiterIn nicht überfordernd wird, denn wir konnten natürlich nicht genug Informationen liefern, um eine offene Welt fließend umzusetzen. Andererseits wollten wir auch mehr genaue Anleitung geben, wie man als SpielleiterIn mit einem offenen, spielergetriebenen Szenario umgeht, anstatt nur knappe Handlungsideen zu liefern und die/den SpielleiterIn damit allein zu lassen. Wir planen auch für das Grundregelwerk ein ziemlich detailliertes Tutorial-Abenteuer, um eine gängige Spielweise und das Spielgefühl zu präsentieren anstatt sie nur zu beschreiben, sodass SpielerInnen und SpielleiterInnen danach aus den Informationen zur Welt selbst Abenteuer und Kampagnen entwickeln können. Gleichzeitig halten wir bei diesem Abenteuer die Waage zwischen rätseln und schnetzeln, was Arakne für uns auch immer ausgemacht hat. Der Detektiv-Plot beginnt bereits die größere Kampagne, die wir uns für Arakne vorstellen, da er schon auf die große Spinne und ihr Geheimnis anspielt. Wie im Abenteuer treibt also ein zugrundeliegendes Rätsel die größere Handlung an, doch müssen sich die SpielerInnen eben auch durch die Welt kämpfen, um das Rätsel zu lösen. Wer sich also einfach gerne durch seltsame Spinnenwesen hackt, ist mit dem Schnellstarter auch gut bedient. Und wie wir bei unzähligen Con-Runden festgestellt haben, es gibt zwar ernsthafte Stellen im Abenteuer, aber der Humor kommt mit den richtigen SpielerInnen bei weitem nicht zu kurz."
An welchen Spielertyp richtet sich der Schnellstarter? Eher an komplette Hobby-Neulinge oder aber erfahrene RollenspielerInnen, die das System wechseln wollen?
"Der Schnellstarter richtet sich an beide Gruppen. Wir liefern einerseits genug Anleitung, um Neulinge abzuholen und langsam darin einzuführen, wie man Pen-&-Paper-Rollenspiel spielt und ein Abenteuer leitet. Zu dem Zweck haben wir auch das Abenteuer in einen festen Teil unterteilt, in dem die Handlung größtenteils vorgeschrieben und für den Anfang relativ simpel ist, und einen freien Teil, in dem lediglich die Umgebung sowie die NPC mit ihren Motivationen, handlungsrelevantem Wissen und möglichen Spielweisen beschrieben werden. Ein Neuling wird also mit vielen Hinweisen, Ideen und Problemlösungsstrategien an das Abenteuer herangeführt. Andererseits ist das Abenteuer auch etwas für erfahrene Spieler, die einen Eindruck der Spielweise und der Regeln von Arakne haben wollen. Die Hinweise und Anleitungen sind nicht so zergliedert und kleinkariert beschrieben, dass sie erfahrenen RollenspielerInnen im Weg stehen würden. Es sind eben absichtlich Hinweise und keine Vorschriften, sodass die Kreativität und Eigeninitiative von erfahrenen SpielleiterInnen nicht nur erlaubt, sondern gefordert ist. Frei nach dem Motto: "Wir bieten coole Ideen für das Spiel, mach es zu deinem eigenen." Die schlanken, aber nicht zu schlanken Regeln sind passend dazu genau darauf ausgelegt, einerseits jegliche, von Spielern beschriebene Handlung frei abbilden zu können, andererseits werden gängige und schnelle Lösungen für Spielsituationen vorgeschlagen. Gerade das Kampfsystem hat bei Testrunden positiven Anklang gefunden. Wenn man es einmal durchschaut hat, geht es nicht nur einfach von der Hand, sondern bietet dynamische Handhabung und mehr "Erfahrung" des Kampfes als nur einen Würfel zu würfel."
Wie war das bisherige Feedback? Hat der Schnellstarter sein Ziel erreicht?
"Unser Ziel war es immer ein fertiges Buch in der Hand zu halten, auf das wir stolz sein können und das wir ohne Vorbehalte mit anderen teilen können. Wir befinden uns noch auf dem Weg zum fertigen Grundregelwerk und Weltenband, haben aber mit dem Schnellstarter einen großen Schritt dorthin gemacht. Wir halten ein fertiges Produkt in der Hand, das uns sehr gut gefällt. Klar findet man als kreativ Schaffender (auch auf den Hinweis von SpielerInnen hin) immer noch Dinge, die man verbessern muss, und wir haben viel für das Grundregelwerk gelernt, aber wir müssen uns mit diesem Erstlingswerk nicht verstecken. Bisher halten hauptsächlich die Unterstützer des Crowdfundings den Schnellstarter in den Händen und da sind uns noch keine Klagen zu Ohren gekommen. Bisher hat er noch allen unterhaltsame Stunden beschert. Leider konnten wir bisher die Werbung für den Schnellstarter jenseits des Crowdfundings noch nicht aktiv vorantreiben, holen dies aber jetzt bis Ende des Jahres nach. Da wird sich dann weiteres Feedback ergeben."
Und gleich im Anschluss die Folgefrage: War der Schnellstarter aus Deiner Sicht ein Erfolg? Und wie definierst Du in diesem Zusammenhang Erfolg?
"Erfolg aus der Entwicklersicht ist erst einmal, dass wir genau das umsetzen konnten, was wir uns vorgestellt haben. Der Schnellstarter bietet für jeden, der sich für Pen-&-Paper-Rollenspiel interessiert, einen soliden Eindruck von Arakne - Chroniken der Helden, der Lust auf mehr macht. Und Freude an der Entwicklung und Umsetzung haben wir auch noch gehabt. Ich glaube man findet beim durchblättern eine ganze Menge Herzblut zwischen den Seiten. Erfolg aus unternehmerischer Sicht ist auf dem deutschen Rollenspielmarkt schwierig. Da war die Erwartung nie, dass wir dabei reich werden. Erfolg war es von vornherein, dass wir unser Hobby betreiben können, Spaß an der Umsetzung haben, andere für unser Spiel begeistern können und dabei am Ende auch noch mehr oder minder eine schwarze Null dabei rauskommt. Dazu hat das Crowdfunding sehr viel beigetragen. Es ist aber noch zu früh, um über den letzten Punkt ein Urteil zu fällen. Der Schnellstarter dient ja auch zur Vorbereitung auf die eigentliche Hauptvorstellung: das Grundregelwerk und den Weltenband."
Was hast Du aus der Entwicklung und Veröffentlichung des Schnellstarters mitgenommen an Erfahrung? Wird sie die weitere Entwicklung von "Arakne" beeinflussen?
"Wir haben sehr viel daraus gelernt. Am meisten haben wir wohl gelernt, dass die Entwicklung und Veröffentlichung doch mehr Aufwand und Arbeit ist, als man sich das vielleicht vorstellt. Gerade bei der redaktionellen Arbeit werden wir uns auch in Zukunft mehr an Standards und Arbeitsweisen im Verlagswesen orientieren. Wir haben Schritt für Schritt auch gelernt, unser Team neben unseren eigentlichen Jobs besser zu organisieren und auch die Zusammenarbeit mit Leuten außerhalb des Teams realistischer zu planen. Gerade den Aufwand für die Organisation der Crowdfunding-Kampagne hatten wir unterschätzt, sodass wir für das nächste Funding für Grundregelwerk und Weltenband erst die Werke komplett fertigstellen werden, anstatt mit 90% fertiggestellt anzufangen, wie wir das beim Schnellstarter gemacht haben. In der Entwicklung konnten wir viel Rückmeldung und tolle Ideen von SpielerInnen sammeln und umsetzen, was das Abenteuer und das Spiel besser gemacht hat. Das wollen wir fortführen. Wir freuen uns immer über Ideen oder auch mehr. Wenn die Chemie stimmt, ist Mithilfe immer willkommen, ob nun beim Stand auf Conventions, bei anderen Testrunden oder auch im Rahmen von Kooperation bei der Entwicklung von weiteren Produkten. Da kann man sich immer bei uns melden."
Wie soll es nun weitergehen?
"Wir stellen gerade ein Kurzabenteuer für den Gratisrollenspieltag 2019 fertig: der Schlund. Es liefert vor allem einen einfachen Einblick in die Spielweise und Stimmung von Arakne und soll damit den Bekanntheitsgrad von Arakne in Vorbereitung auf das nächste Crowdfunding weiter steigern. Das Abenteuer selbst setzt die Geschehnisse in der letzten Rast fort und fungiert bereits als weiteres, wenn auch kurzes Kapitel in der großen Kampagne zum Spinnenmythos, die wir langfristig planen. Nach dem Kurzabenteuer geht es aber erst einmal daran, das Grundregelwerk und den Weltenband komplett fertigzustellen. Die sind im Moment zu etwa 80% komplett. 2019 starten wir dann so früh wie möglich das Crowdfunding für das Grundregelwerk und den Weltenband. Die sollen zusammen rauskommen, sodass SpielerInnen auf einen Schlag alles an die Hand bekommen, was sie zum Spielen brauchen. Das schließt auch die eigene Entwicklung einer Mythoskampagne ein, da die Akteure und Mechaniken um das Geheimnis der großen Spinne im Grundregelwerk gelüftet werden. Wie genau man diese Kampagne dann ausspielt, kann man entweder selbst entwickeln oder man wartet darauf, wie wir in weiteren Abenteuern anbieten sie weiterzuspielen. Erst dann wird "die letzte Rast" und "der Schlund" fortgesetzt. Wir haben also viel vor und sind zuversichtlich, dass wir mit unserer neugewonnen Erfahrung gute Fortschritte machen können."
Vielen Dank für das Interview und das Bildmaterial. Gern verweise ich neugierige LeserInnen noch an Euren Shop (Link), wo es den Schnellstarter digital und gedruckt zu kaufen gibt.
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