Der „Mantikore Verlag“ ist ja – trotz einer Vielzahl an Romanen und dem „Game of Thrones“-Rollenspiel – vermutlich jedem Rollenspieler am ehesten für seine Solo-Spielbücher bekannt. Nach so erfolgreichen Werken wie „Reiter der Schwarzen Sonne“ von Swen Harder (mittlerweile in der 4. Auflage!) und „Das Feuer des Mondes“ der Brüder Christian & Florian Sußner (Doppelsieg „GOLDENER STEPHAN 2015“) bringt der Frankfurter Verlag von Nicolai Bonczyk mit „Destiny Quest: Die Legion der Schatten“ nun einen weiteren dicken Spielbuch-Wälzer. Mal schauen, ob er nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ mit den bisherigen Publikationen mithalten kann… Der Auftakt des Abenteuers ist dabei recht klassisch: Man wacht auf, ohne sich erinnern zu können (scheinbar ist solch ein Anfang das Spielbuch-Äquivalent zum „Helden treffen sich in einer Taverne“ bei klassischen Rollenspielen ;-)). Schnell nimmt man die Identität eines sterbenden Jungritters an und geht zu Avian Dal, einem Großmeister, in die Lehre. Doch plötzlich bricht Krieg aus und der Protagonist muss sich nicht nur seiner Vergangenheit stellen, sondern gleichzeitig auch noch das Königreich retten… OK zugegeben, das ist jetzt keine hochkomplexe Epik. Aber zu jeder Zeit wollte ich wissen wie es denn nun weitergeht, damit hat die Handlung ihren Zweck erfüllt :-) Die Texte sind sehr gut geschrieben beziehungsweise übersetzt und vermitteln gerade im kriegerischen letzten Kapitel hervorragend eine gedrückte, fast schon hoffnungslose Atmosphäre. Die Regeln sind recht einfach: W6-Würfelproben + Attribut (Flinkheit, Magie, Kraft, Rüstung, Leben) gegen einen Zielwert welcher übertroffen werden muss. Beispielsweise ergibt 2W6 + Flinkheit den Angriffswert und 1W6 + Kraft ergibt den Schaden. Dazu kommen noch zahlreiche Sonderfähigkeiten, die beispielsweise Proben beeinflussen und Attribute verändern. Das war es regeltechnisch im Prinzip schon, man kann also wirklich direkt loslegen. Denn eine Charaktererschaffung im klassischen Sinne mit Erfahrungspunktverteilung gibt es hier nicht, stattdessen erstarkt der Held im Verlauf über die gefundene Ausrüstung (und es gibt echt viel Ausrüstung zu finden – haltet den Radiergummi bereit :-P) und die erlernten Berufe. „Destiny Quest: Die Legion der Schatten“ bietet drei Kapitel mit jeweils einer eigenen Landkarte. Auf dieser sind verschiedene Orte und Quests verzeichnet, die man in freier Reihenfolge bereisen kann (wirklich „kann“, nicht „muss“ – Wer sich direkt dem Kapitelendgegner stellen will, bitte sehr, allerdings könnte das in einer krachenden Niederlage enden ;-) Zum Glück „stirbt“ man aber nicht, sondern darf dann einen neuen Anlauf nehmen oder doch erstmal klein anfangen :-)). Orte wie Heerlager und Städte beherbergen Händler und Ausbilder, manchmal kann man auch ein paar nützliche Informationen aufschnappen. Die Quests, welche entsprechend ihrem Schwierigkeitsgrad gekennzeichnet sind, haben vor allem einen Zweck: Gold und Ausrüstung einsammeln! Gerade das Inventar-Management ist eine der umfangreichsten, aber auch motivierensten, Aktivitäten in diesem Spielbuch. Immerhin reicht es nicht, sich einfach nur einen Helm aufzusetzen, auch der richtige Umhang, Handschuhe, Haupt- und Nebenhand, Brust, Talisman, Füße, Halskette und zwei Ringe wollen sinnvoll ausgerüstet werden. Diese verbessern zumeist nicht nur die Werte, sondern verfügen auch über verschiedene Spezialfähigkeiten. Damit bestimmt zum großen Teil die Ausrüstung, wie stark der Held ist. Die Abenteuer an sich sind recht kampflastig, werden aber auch ab und an mal durch ein Rätsel aufgelockert. Oder man kann eine Quest sogar friedlich lösen :-D Ich muss sagen, mir persönlich hat dieses Konzept der freien Questwahl sehr gut gefallen, auch wenn ich am Anfang eventuell etwas zu mutig war und dann von den härteren Monstern verdroschen wurde ;-) Die einzelnen Quests sind dabei zumeist relativ kurz geraten, sodass man ein Abenteuer auch mal bequem beim morgendlichen Pendeln zur Arbeit/Uni/etc. oder wie bei mir im Nachtdienst zwischen zwei Notfällen absolvieren kann :-) Produktionstechnisch hat der „Mantikore Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) wieder sehr gute Arbeit geleistet. Das rund 670 Seiten und 939 Abschnitte starke Taschenbuch ist trotz intensiver Benutzung ganz geblieben. Das farbige Cover ist sehr stylisch, dagegen herrscht im Innenteil weitestgehend Textwüste. Dafür ist dieser Text sehr gut übersetzt und lektoriert. 19,95 € erscheint mir da als fairer Preis. Fazit: Sorry Swen Harder. Sorry Sußner-Brüder. Ihr drei wurdet gerade vom Thron gestoßen ;-) Atmosphärische Texte, spannendes Spielkonzept, hoher Wiederspielwert - „Destiny Quest: Die Legion der Schatten“ (Link) ist die neue Referenz bei der Solo-Spielbücher!