Der „Verlag Schwarze Ritter“ ist den meisten LeserInnen meines Blogs bekannt für seine oft humorvollen, vor allem aber niedlich gezeichneten Fantasy-Kinderbücher. Doch nicht nur wegen dieser Sparte hat der sympathische Kleinverlag in der Nerd-Szene einen hohen Bekanntheitsgrad: Gerade LARPer zeigen sich begeistert von den offiziellen „Mythodea“-Romanen, welche Verlagschef Hagen Tronje Grützmacher regelmäßig in sehr ordentlicher (“Glutbringer“ (Link)) bis guter („Zmaë: Die Wächter von Steinthal“ (Link)) Qualität schreibt und publiziert. Mit „Herren der Tiefe“ erscheint nun das dritte Buch in dieser düsteren Fantasy-Welt, diesmal als Anthologie. Drei Autoren, darunter auch wieder Hagen höchstselbst, haben drei interessante Kurzgeschichten geschrieben – Interessant, aber auch gut? Die kürzeste Geschichte macht den Anfang: Grams Gnade von Hagen Tronje Grützmacher erzählt von der Suche des titelgebenden Heilers Gram nach seinem Bruder. Den findet er schließlich auch (so viel Spoiler sei erlaubt ;-)), jedoch nicht in dem Zustand, den er sich erhofft hatte. Und dann eskalieren die Ereignisse… Diese erste Geschichte kann man aus zwei verschiedenen Perspektiven betrachten. Einerseits funktioniert sie ganz hervorragend als Einstimmung auf die düstere Fantasy-Welt von „Mythodea“. Andererseits wird diese Einstimmung mit eher einfallslosen stilistischen Mitteln vollbracht: Misstrauen, Verrat und Mord gehören zu einem solchen Setting ja dazu, das sei der knapp 40 Seiten umfassenden Geschichte auch gegönnt. Aber muss man bei einer solchen Kurzgeschichte gleich noch eine für den Fortgang der Handlung eher unnötige Vergewaltigung einbauen, die im Prinzip nur die Funktion erfüllt, dass die heldenhafte Dame plötzlich ihre schwache Seite als Opfer zeigt? Ist ein solch unsensibler Umgang mit diesem Thema da nicht einfach nur ein Mittel zum Zweck, vielleicht sogar ein nur ein kalkulierter Eyecatcher? Hätte man für den Zweck, einer Nebenfigur eine zweite Eigenschaft zuzuordnen (offensichtlich ist sie nicht gut genug, um nicht doch noch von drei Männern und Frauen überwältigt zu werden) und die Gruppe zusammenzuführen, nicht vielleicht doch einen anderen erzählerischen Weg gehen können? Also zumindest in einer Kurzgeschichte, in der nicht der Platz ist, um die Geschehnisse in einem angemessenen Rahmen einzuordnen… Ich finde es schade, dass dieser Handlungsschlenker die gesamte Geschichte für mich negativ überstrahlt, wo Hagen doch ansonsten gute Schreibarbeit leistet. Weiter geht es mit der längsten Geschichte. Rund 70 Seiten umfasst Trugbilder von Jane Steinbrecher, die schon einige „Mythodea“-Erfahrung hat, war sie doch Hagens Co-Autorin bei „Glutbringer“. In dieser Geschichte geht es um die junge Frau Sara, die vor ihrem herrischen Vater aus einem Zirkus flieht, um nicht mit dem größten Bauerntrampel verheiratet zu werden. Doch es ist gar nicht mal so leicht, sich alleine in dieser Welt durchzuschlagen, und so nimmt sie ein unmoralisches Angebot zweiter Spitzbuben recht gerne an: Im abgelegenen Bergdörfchen Taal soll sie als angebliche Feuertänzerin die erkrankte Bevölkerung heilen, damit diese ihr als Dank einen wertvollen Dolch aushändigen… Eine spannende Intrigengeschichte, die sich schnell wegliest und die - auch wenn man den Braten etwas schneller riecht als Sara – gute Unterhaltung bietet :-) Zuletzt noch Hexenjagd von Matthias Ramtke. In dieser Kurzgeschichte geht es, wer hätte es bei dem Titel nur gedacht, um eine Hexenjagd. Gejagt wird die Ehefrau des Ritters Reinhard von Bitterblum, welche von eben jenem Ritter dafür verantwortlich gemacht wird, dass dessen Adelsfamilie durch allerlei angebliches Hexenwerk ausstirbt. Und so verfolgt er sie unerbittlich und erlebt all die Dinge, die man auf solch einer Hexenjagd halt erlebt: Er legt sich mit der örtlicher Bevölkerung an, die seiner Adeligkeit nicht würdig ist. Er muss sich gegen allerlei Angreifer wehren, die seinen Rachefeldzug verhindern wollen. Und er muss letztendlich die Hexe stellen und dabei der Wahrheit ins Gesicht blicken… Eine gut geschriebene, interessante Geschichte – Trotz einem kleinen Hänger in der Mitte ist sie die beste Geschichte dieser generell guten Anthologie :-D Fazit: Auf dem Umschlag von „Herren der Tiefe“ (Link) prangt in großen Lettern „Mystery & Murder in Mythodea“. Und genau das bietet diese kleine, aber feine Anthologie auf 180 Seiten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger – Da kann man als Fan durchaus die 10 € bezahlen, die der „Verlag Schwarze Ritter“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) verlangt. Wenn man mal von der unnötigen Vergewaltigung absieht, die für mich die Kurzgeschichtensammlung überschattet, hat man hier ein gutes, unterhaltsames Fantasy-Taschenbüchlein über Mord & Totschlag; eine Gesamtwertung von 79 % scheint mir angemessen :-)
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