Vor rund eineinhalb Monaten hatte ich den kreativen Tausendsassa Markus Gerwinski im Interview (Link), der unter anderem sein Indie-Rollenspiel „Heroen“ (Link) vorstellte. Zu diesem ist nun der erste Abenteuerband „Maskenball“ (Link) erschienen, welcher als Teil der „Das Verwunschene Land“-Reihe nicht nur einen Einstieg in die „Heroen“-Spielwelt bieten soll, sondern das auch als Universalabenteuer für SpielerInnen anderer Fantasy-Systeme und besonders auch für Rollenspielneulinge geeignet sein soll.
Die „Das Verwunsche Land“-Reihe spielt in der kleinen, abgelegenen Grafschaft Alkron. In der gleichnamigen Hauptstadt treffen die SpielerInnen erstmals aufeinander, nur um sogleich einen Mord zu beobachten. Gut, so ein Akt der Gewalt kommt in mittelalterlichen Fantasy-Welten ja öfters mal vor, aber dass der adelige Hauptmann der Stadtwache der Täter zu sein scheint, ist dann doch eher ungewöhnlich... Doch wirkt dieser Mord anfangs nur wie eine kleine Nebenhandlung, denn eigentlich sollen die SpielerInnen für den Zauberer Esligar eine magische Präsenz untersuchen. Was sich gar nicht so leicht gestaltet, müssen sie dazu doch in die schwer bewachte Burg des Grafen eindringen. Zum Glück findet dort jedoch gerade der titelgebende Maskenball statt, auf welchen sie plötzlich auf den Mörder und auch noch ganz andere unangenehme Gesellen treffen...
„Maskenball“ bietet eine solide Geschichte, welche aufgeteilt in 17 Szenen (welche man in einem Durchgang allerdings nicht alle bespielt) all das bietet, was man von dem Auftaktband einer Abenteuerreihe so erwartet: Es gibt einen vernünftigen Grund, warum die SpielerInnen als Heldengruppe zusammenfinden, man lernt einen ersten kleinen Teil der Spielwelt sowie einige wichtige NSCs kennen und es finden sich erste Hinweise für spätere Handlungsbögen. Das eigentliche Abenteuer ist dabei, auch wenn Zauberei einen wichtigen Aspekt der Handlung ausmacht, noch angenehm bodenständig designt: Auch wenn man zwischen die Fronten verschiedener Interessen gerät, geht es im Prinzip einfach nur darum, seinen klar definierten Auftrag zu erfüllen beziehungsweise aus den widerstreitenden Interessen das beste Ergebnis (je nach Motivation) für sich selbst oder für Alkron herauszuholen. Für Rollenspielneulinge ist das Abenteuer damit tatsächlich gut geeignet :-)
Zumindest für SpielerInnen, denn den letzten Satz würde ich so nicht für die SpielleiterInnen unterschreiben. Denn auch wenn sich der Autor Markus Gerwinski viele Hilfestellungen ausgedacht hat (etwa ein an Solo-Spielbücher erinnernder „Tun die Spieler A, gehe zu Szene X; tun die Spieler aber B, dann geh zu Szene Y“-Handlungsaufbau sowie Vorlesetexte, eine gute Szenen-Strukturierung und umfangreiche Anhänge mit NSC-Beschreibungen etc.), gibt es einfach eine ganze Menge Fließtext, welche vor dem Leiten erst einmal durchgeackert werden muss. Hier meint es Markus einfach ein wenig zu gut, sodass sich das Abenteuer etwas mehr aufplustert, als es eigentlich sein müsste. Von der Komplexität der Geschichte her erinnert „Maskenball“ an die vorbildlichen „Splittermond: Mondsplitter“ (Link) – Nur sind diese so aufbereitet, dass man das Abenteuer noch kurz vor Spielbeginn vorbereiten kann. Hier benötigt man wesentlich mehr Zeit, um die relevanten Informationen zusammenzutragen, was Spielleiter-Neulinge ein wenig erschlagen könnte. Vielleicht wäre hier etwa ein Verlaufsdiagramm der einzelnen Szenen-Abfolgen, inklusive einer kleinen Zusammenfassung des jeweiligen Inhalts, die ideale Lösung – Wobei ich einsehe, dass das im A5-Format des Buches eher schwer umzusetzen wäre... Wenn man aber mal davon weggeht, „Maskenball“ aus der Sicht von Spielleiter-EinsteigerInnen zu betrachten, fällt mir eigentlich nur ein größerer Design-Schnitzer auf: An einigen wenigen Stellen werden bestimmte Ereignisse zufällig ausgewürfelt. Das fand ich persönlich doch ziemlich oldschool...
Die Texte sind gut geschrieben, sodass man der Handlung gut folgen kann. Enthalten sind die Spielwerte für „Heroen“ und „Midgard“, jedoch sind die Beschreibungen so universell gehalten, dass man das Abenteuer mit geringfügigen Anpassungen in vielen anderen Fantasy-Rollenspielen verwenden kann. Ein wenig schlicht finde ich das Layout, welches aus viel Fließtext (mit ein paar Einrückungen, Hervorhebungen etc.) und einigen recht einfachen, aber doch passenden Illustrationen besteht. Hier sieht man halt doch, dass es sich um ein Indie-Projekt mit geringem Budget handelt, aber als Gesamtwerk spürt man eben auch das Herzblut, das Markus (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) in sein Projekt gesteckt hat. Der Preis von 8 € für 92 Seiten im Softcover geht da vollkommen in Ordnung!
Fazit: „Das Verwunschene Land #1 Maskenball“ (Link) bietet genau das, was man von einem Auftaktabenteuer einer Fantasy-Reihe für Rollenspielneulinge erwartet.