Dem auf der französischen SciFi-Geschichte „La Croix des décastés“ basierenden Comic „Die Ausgestoßenen von Orion“ (Link) bescheinigte ich zu Beginn dieses Jahres, dass er irgendwie aus der Zeit gefallen schien. Dank seinem pulpigen Grundton und den ziemlich oldschooligen Zeichnungen konnte ich mir aber doch gut vorstellen, dass der als Prolog fungierende Auftaktband der zweiteiligen Miniserie seine Fans finden würde. Nun ist der Abschlussband erschienen und ich war gespannt, ob die Geschichte qualitativ noch eine Schippe drauflegen kann... Kleine Rekapitulation des ersten Bandes: Die einstmals blühende Weltraumkolonie Orion-XB12557 ist zurück auf ein antikes Technologieniveau gesunken. In dem patriarchalen, durch Sklavenhandel geprägten Kastensystem begehrt des ausgestoßene Krieger Kolhen auf, als er das Opfer einer Intrige der Priesterkaste wird. Diese will sich durch den Erwerb von Laserwaffen eines außerirdischen Händlers an die Macht putschen, was wiederum die Sternenagentin Rebecca verhindern soll... Zu Beginn des zweiten Bandes überschlagen sich die Ereignisse: Die Priesterkaste setzt erstmals ihre Laserwaffen ein, um sich der verfeindeten Kriegerkaste zu entledigen. Kolhen riskiert mehr als einmal sein Leben, um seine versklavte Fluchtgefährtin Tryana zu befreien. Und Rebecca kann endlich den Waffenhändler stellen, der sich als alter Bekannter mit überraschenden Beweggründen entpuppt – Was der Geschichte eine spannende Wendung und damit die im ersten Band lang herbeigesehnte Portion Dramatik gibt :-D An diesem Punkt, an dem die Geschichte so richtig interessant wird, ist der 48 Seiten umfassende Abschlussband leider schon zur Hälfte rum. Was sehr schade ist, folgen jetzt doch noch allerlei blutige Irrungen und Wirrungen inklusive unerwartetem Verrat, heroischer Selbstopferung und melodramatischem Herzschmerz. Aber damit diese Szenen wirken und ihre volle emotionale Wirkung entfalten könnten, hätten sie wesentlich mehr Seiten benötigt. Stattdessen hetzt das Kreativteam Éric Corbeyran und Jorge Miguel durch die Auflösung der verschiedenen Handlungsfäden, was der sich nun offenbarenden, interessanten Grundthematik und dem mitunter dramatischen Protagonistenschicksal einiges an erzählerischer Wucht nimmt. Hier wird so viel narratives Potential verschenkt, dass es die LeserInnen traurig macht – Oder aber wütend, wenn man sieht, dass man die kostbaren Seiten unter anderem für eine genüsslich inszenierte Folterszene an der nackten Rebecca verschwendet. Denn jetzt mal Hand aufs Herz: Was Corbyran und Miguel hier präsentieren ist in seiner Darbietung ohne erzählerischen Mehrwert. Nein, es ist vielmehr nichts weniger als eine voyeuristische, misogyne und abstoßende Provokation. Ich bin mir nicht sicher – wobei ich mich (unabhängig davon) frage, ob die Autorin Élaine Taïeb / Julia Verlanger diese Szene in der Buchvorlage so beschrieben hat – ob dies ein Ausdruck von inszenatorischem Unvermögen (so nach dem Motto „Wie sonst soll man die Situation darstellen als auf die plumpstmögliche, effekthascherischte Weise?“) ist oder ob man hier eiskalt darauf spekuliert, mit so einer Szene noch ein paar Incels (Link) & Möchtegern-Patriarchen abzugreifen... Mal unabhängig davon ist die Präsentation wie schon im ersten Band: Oldschoolige, aber doch gefällige Zeichnungen werden vom „Splitter Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) qualitativ hochwertig in Szene gesetzt. Der Preis von 14,80 € für ein 48 Seiten umfassendes Hardcover geht in Ordnung. Fazit: Letztendlich ist der zweite Band der „Die Ausgestoßenen von Orion“-Miniserie (Link) ein durchaus solider SciFi-Pulp-Comic mit einem sehr interessanten Antike/Endzeit-Setting. Da die Geschichte nun endlich Fahrt aufnimmt und einen überraschenden Plot-Twist bietet, gefällt mir der Abschlussband sogar wesentlich besser als sein Vorgänger – Aber hätte das Kreativteam sich nicht so durch das Finale gehetzt, hätte es nicht die Figurenzeichnung/-entwicklung vernachlässigt und hätte es stattdessen die armselige Folterszene ausgespart oder wenigstens nicht so offensichtlich misogyn-voyeuristisch inszeniert, dann hätte es sogar ein richtig guter Comic werden können...
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