"Contact - Das Taktische UFO-Rollenspiel" hat bei mir selbst eine beeindruckende Karriere hingelegt. Anfangs hab ich es noch als "Deutschen Nerd-Porno" (Link) belächelt, mittlerweile nach einer Einführungsrunde mit dem Co-Autoren Frank Sauer und der Lektüre nahezu aller Abenteuer-Bände ist es nun aber zu meinem heimlichen Favoriten emporgestiegen. Was die bisherigen Alienjagd-Missionen gemeinsam hatten, war ein mehr oder minder starker Fokus auf taktische Gefechte. Mit (in der Veröffentlichungschronologie einem der ersten Abenteuerbände) "ATS-X 51" aber wird gezeigt, dass man in diesem Spiel auch ruhigere Töne anschlagen und soziales Charakterspiel ausleben kann...
"ATS-X 51" behandelt einen gleichnamigen, viertägigen Kongress auf der sagenumwobenen Area 51 in Nevada. Halbjährlich organisiert von den Geheimorganisationen OMEGA und Sektion 13 treffen sich dort die wirklich wichtigen Personen aus Wissenschaft, Geheimdienst, Militär und Politik. Da wird dann nicht nur über die neusten Erkenntnisse der Alienjagd und -Diplomatie diskutiert, sondern es finden auch zahlreiche Weiterbildungen statt (nebenbei, da das Aufleveln in "Contact" ja eher langfristig angelegt ist, bekommt man hier viele Gelegenheiten die Charakterwerte zu boosten ;-)).
Mit dabei sind also auch die Spielecharaktere, die natürlich während der vier Tage nicht einfach nur ihre Zeit absitzen und sich am Buffet bedienen, sondern (Achtung Spoiler) in so manches Abenteuer stürzen können. Ich hab das Wort dabei bewusst hervorgehoben, denn ohne ein wenig Eigeninitiative und Hartnäckigkeit wird es nicht gelingen beispielsweise einen Mord aufzuklären, einen Anschlag zu verhindern, ein "entlaufenes" Alien aufzuspüren, Wirtschaftsspione zu überführen oder gar einen verrückt gewordenen Supercomputer aufzuhalten... Oder nein, eigentlich ist das jetzt sogar ein wenig falsch formuliert: Man braucht nicht nur Eigeninitiative, um die Missionen zu bewältigen. Nein, man braucht sie teilweise auch um gelegentlich überhaupt mitzubekommen dass sozusagen hintenrum krumme Dinger gedreht werden. Wenn man Spieler hat, die jetzt nicht aktiv nach "Geheimmissionen" suchen (zugegebenermaßen ich beispielsweise), dann wird aus der eigentlich unterhaltsamen Abenteuersammlung ein eher aufregungsarmes Weiterbildungswochenende.
Der Spielleiter müsste dann schon ziemlich oft mit dem Zaunpfahl winken beziehungsweise (wie im Buch oft auch vorgeschlagen) einen NSC nach dem Motto "Ich nehm euch mal an die Hand und ihr folgt mir jetzt einfach mal, ich hab da voll was Wichtiges zu tun" agieren lassen... Und wo wir gerade beim Thema Spielleiter sind: Der hat hier ordentlich was zu tun! 17 gut ausgearbeitete Nichtspielercharaktere (die allesamt für die Handlung mehr oder munder wichtig sind) und zahlreiche oft im Hintergrund parallel verlaufende Handlungsfäden fordern ordentlich Einarbeitungszeit. Außerdem lohnt sich für den Aufbau einer passenden Atmosphäre bei der Vorbereitung auch noch die "Dramatik" des ein oder anderen Seminars/Workshops/Vortrags auszuarbeiten, etwa wenn die Handlung vorsieht dass es zu gut argumentierten Streitereien oder Zwischenrufen kommt!
Zugegeben also viel Arbeit für den Spielleiter, aber es ist die Mühe definitiv wert! Denn auch wenn die Thematik eines routinemäßig stattfindenden Geheimkongresses - gerade in einem Spielsystem, dass von epischen Heldentaten und dramatischen Taktik-Schießereien handelt - eher langweilig wirkt, ist sie für den Atmosphäre-Aufbau und die Ausarbeitung der Spielwelt doch eine deutliche Bereicherung. Es gibt eben auch in "Contact" kein schwarz/weiß!
Nebenbei ist noch anzumerken, dass dieser Abenteuerband eher als "Kampagnen-Mittelstück" anzusehen ist. Es werden einige Bezüge auf vorherige Ereignisse genommen, besonders die Kampagne aus dem Grundregelwerk (Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie man beispielsweise den Mörder ohne Vorkenntnisse identifizieren soll). Davon mal abgesehen, dass man eine Taktik-Rollenspielkampagne sicher nicht mit einem mehrtägigen Kongress beginnen sollte :-P OK, was haben wir also bisher gelernt? Ein ausgesprochen "Contact"-untypisches, aber interessantes Abenteuer. Ist wenigstens der Rest in gewohnter "Contact"-Qualität?
Definitiv ja! Das stabile, farbige Softcover umhüllt diesmal 48 Seiten. Wie gewohnt in Grautönen, dabei werden die zweireihigen und gut lektorierten Texte gelegentlich von Bildern aufgelockert. Der Abenteueraufbau ist mit den Ereignismodulen und den gut beschriebenen NSCs inklusive ihrer Funktion & Motivation in der Handlung auch wieder auf gewohntem Niveau. Natürlich darf auch ein Anhang nicht fehlen, diesmal mit zwei neue Waffen, einer neuen Alienrasse, Übersichtskarten und den obligatorischen Tabellen. Besonders hilfreich ist dabei jene, mit welcher man sehr detaillierte NSCs auswürfeln kann. Ich denke auch in anderen "Contact"-Abenteuern wird die mir gute Dienste leisten :-)
Fazit: Ja, jetzt hab ich glaub ich schon oft genug betont dass "ATS-X 51" eher "Contact"-untypisch ist. Mit einem gut vorbereiteten Spielleiter und neugierigen Spielern wird dieses Weiterbildungswochenende aber ganz hervorragend. Wer seinen Spielern also mal ein wenig Abwechslung von bleihaltigen Alienjagd-Alltag geben will, bekommt hier eine spannende Zwischenepisode für eine laufende Kampagne. Der Preis von 12,95 € ist dabei für den gebotenen Inhalt absolut angemessen!