So, mittlerweile bin ich nun beim letzten Softcover-Abenteuerband des deutschen Taktik-Rollenspiels "Contact" angekommen. Und was soll ich sagen, selten wurde ich so positiv überrascht: Das Grundregelwerk und der erste Abenteuerband "Zug um Zug" ließen mich noch glauben, es handle sich hier um eine zahlenverliebte Ballerorgie. Aber weit gefehlt, "Contact" kann auch anders, und zwar ganz anders! "Projekt Oberon" ließ die Spieler zu Diplomaten beim Erstkontakt mit einer unbekannten Alienrasse werden (ok, zugegeben, am Ende wurde dann doch noch ordentlich rumgeballert ;-)) und "ATS-X 51" verlangte detektivisches Charakterspiel. Der mit 80 Seiten bisher umfangreichste Softcover-Abenteuerband "Krater des Verderbens" lässt die Spieler nun als Astronauten den Mond erforschen - Packender Survival-Horror inklusive! Über mangelnde Abwechslung braucht sich hier echt niemand zu beschweren :-) Die strenggeheime Alienjäger-Organisation OMEGA hat mittlerweile aufgerüstet. Nicht mehr nur auf der Erde, sondern schon im All sollen anfliegende UFOs erkannt und bekämpft werden. Dazu wurde mit MB-Prime kürzlich die erste von drei geplanten Mondstationen errichtet. Doch irgendwas scheint dort schief zu laufen, denn Unfälle und Halluzinationen häufen sich, ja sogar Selbstmorde! Da kommen die Spieler doch wie gerufen, um diese mysteriösen Vorfälle aufzuklären ;-) Aber schon bei der Vorbereitung auf den Einsatz geht einiges schief... Bevor ich aber jetzt zu spoilern anfange: Wer seine Kampagnen-Karriere eher als Bürohengst oder Hausmeister (ich wird auch nach einem Jahr nicht drüber fertig, dass man einen Hausmeister spielen kann :-P) geführt hat oder gar dem Min-/Maxing wegen einige benachteiligende Merkmale wie dem Fehlen einer Gliedmaße ausgewählt hat, muss sich vermutlich mit dem Gedanken anfreunden den Flug zum Mond zu verpassen. Denn wie im wahren Leben auch müssen einige Mindestwerte erreicht werden. Zwar kann der Spielleiter die Charaktere auch in ein 12wöchiges Astronautentraining stecken, wer aber bisher schon dumm wie Brot war wird dadurch auch nicht unbedingt zum Genie ;-) Aber getreu dem Motto "Lasst mich zurück, nur die Mission zählt!" kann man sich ja einen neuen Spielcharakter aus 260 Erschaffungspunkten und mit der vollständigen Anzahl an Armen und Beinen erstellen :-P Damit ist dann auch die erste Hürde überwunden und man kann sich dem eigentlichen Abenteuer widmen. Es beginnt mit einem Prolog im Johnson Space Center in Houston, noch 7 Tage bis zum Mondflug. Die Spieler bereiten sich emsig vor und sollten alsbald feststellen, dass irgendetwas nicht rund läuft. Irgendein Saboteur dreht hintenrum krumme Dinger und versucht offensichtlich, die Mission zu sabotieren. Mit ein wenig detektivischem Spürsinn ist der Saboteur dann auch irgendwann entdeckt (falls nicht, offenbart es sich am Ende des recht linearen Prologs selbst) und der ein oder andere NSC hat vielleicht sogar überlebt... Und dann geht es schon los zum Hauptteil des Abenteuers rauf auf den Mond. Und diese Mondreise steht einfach unter keinem guten Stern... Nochmal Achtung, Spoiler! Die Spieler crashen mit ihrem Raumschiff gleich mal den Hangar der Raumstation, sodass sie dort festsitzen. Langeweile kommt bei der nun notwendigen Reparatur aber nicht auf! Denn wir wären ja nicht bei "Contact", wenn es nicht zahlreiche Ereignismodule zu bestehen gäbe: So ziemlich alle NSCs sind ziemlich psycho drauf, halluzinieren, versuchen sich oder andere umzubringen. Zusätzlich stiftet ein Formwandler Verwirrung und versucht nach und nach die Crew zu dezimieren... Dieser Hauptteil ist quasi eine kleine Sandbox in welcher der Spielleiter passende Ereignismodule einstreut. Mal sind die Spieler dabei nur passiv, etwa wenn sie auch eine Halluzination sehen oder ein konspiratives Gespräch mithören. Oft werden sie aber auch aktiv gefordert, etwa wenn sie einen Mordfall aufklären, einen Alienangriff abwehren oder auch einen Amoklauf oder Selbstmord verhindern. Also hier ist wirklich einiges Los und in diesem Abschnitt läuft "Krater des Verderbens" zur Höchstform auf. Wenn der Spielleiter die zahlreichen Ereignismodule nicht geballt, sondern nach und nach einsetzt, baut sich eine unglaublich dichte, panikartige Stimmung unter den Spielern auf! In meiner Testrunde ging es soweit, dass ein Spieler danach drei Tage nicht mehr richtig schlafen konnte - Wenn ein Spiel das schafft, dann macht es Alles richtig!!! Diese ganzen Psychospielchen haben natürlich eine Ursache, und hier beginnt dann das Problem dieses bis hierhin hervorragenden Abenteuers: Dem Spielleiter wird gesagt "Das hier ist der Grund für alle Probleme, ja sogar für den verrückten Saboteur vom Anfang, und nun denk dir mal schön selber aus wie du den Schlamassel löst und deinen Spielern die großen Zusammenhänge verklickerst..." Ganz ehrlich, ich beschwere mich ja noch nicht mal wenn ich als Spielleiter in ein Kaufabenteuer noch ordentlich Arbeit reinstecken muss, bekanntermaßen hat mir "Contact: ATS-X 51" mit seinen hintenrum laufenden Handlungsfäden und der großen Menge an NSCs trotzdem sehr zugesagt. Aber hier zahlreiche Probleme aufzuwerfen um dann zu sagen "Es gibt mehrere Möglichkeiten, und wenn ihr überhaupt keine Idee habt dann nehmt halt Sprengstoff" ist zugegeben etwas enttäuschend. Für mich war es der Horror, ich musste mich beziehungsweise die Spielwelt am Ende schon ziemlich verbiegen für ein vernünftiges Spiellende. Und doch sind meinen Spielern erst nach einer ausführlichen Nachbesprechung die zahlreichen Zusammenhänge ersichtlich geworden. Aber gut, ich bin als Spielleiter noch nicht so erfahren, sicher bekämen das die Profis besser hin... Unabhängig vom Ende bietet "Krater des Verderbens" aber wieder einige gute Hilfestellungen für den Spielleiter. So werden wieder die zahlreichen NSC gut erklärt (bei den wichtigeren NSC auch wieder mit ihrer Bedeutung für die Handlung und Charakterwerten), es gibt Tipps, ein Organigramm und eine Übersichtskarte. Und, sonst wären wir ja wohl nicht bei "Contact", passende Regeln und neue Ausrüstung/Fahrzeuge. Zur Qualität der "Contact"-Softcover muss ich eigentlich nichts mehr sagen, da könnte ich meine anderen Testberichte einfach zitieren :-P Bunter, stabiler Umschlag mit grauem, zweireihigen Inhalt und gutem Lektorat. Tabellen gibt's natürlich auch und ein paar atmosphärische Bilder. Der Preis von 14,95 € ist für diese 80 Seiten vollkommen gerechtfertigt. Fazit: Hach, ist das jetzt ärgerlich! Fast hätte es "Krater des Verderbens" geschafft der bisher beste Abenteuerband für das Taktik-Rollenspiel zu werden. Aus Spielersicht erlebt man hier abwechslungsreichen und packenden SciFi-Survival-Horror welcher vermutlich das Highlight einer jeden Kampagne darstellen wird. Oder anders formuliert: Aus Spielersicht haben wir hier die Nummer 1! Abzüge muss ich dann aber aus Spielleitersicht geben, denn das fehlende Ende hat mir die Freude doch sehr getrübt. Nichtsdestotrotz bleibt dieses Abenteuer aber ein Pflichtkauf für jede "Contact"-Kampagne. Und ein zweiter Platz ganz knapp hinter "Contact: Projekt Oberon" ist doch eigentlich auch noch sehr respektabel :-D