Kaum hatte ich den ersten Artikel der neuen Artikelreihe „Leserwunsch“ gepostet, erreichte mich eine neue Anfrage. Ob ich nicht das Buch mit dem vielsagen Titel „Die Männerliste“ rezensieren könne? Klar kann ich das! Ich konnte zwar mit dem Titel erstmal nichts anfangen, kämpfte mich nach einer großen Überraschung (Ich bin Frischhaltefolie!) dann aber doch durch und kann sogleich diese Warnung aussprechen: Bei keiner anderen Rezension habe ich mich so bemüht, objektiv zu bleiben. Aber bei keiner anderen Rezension ist das, was ich schreibe, so subjektiv geschrieben. Die 220 Seiten umfassende „Die Männerliste“ stammt von der Autorin Jessica August und ist derzeit nur bei Amazon für den Kindle zu einem Preis von 3,44 € erhältlich. Aber was soll das eigentlich nun sein? Das simple, aber zugegeben stilvoll gezeichnete Cover scheint hier schon die Richtung vorzugeben: Ein rotes Herz ist der mittige Blickfang, dahinter ein gut gebauter Mann in bewusst entspannter Pose. Seine im Hinblick auf das Herz geradezu desinteressierte Körperhaltung (beachte Hände in den Taschen) scheint anzudeuten, dass er zu diesem Herz keine besondere Beziehung hat. Mein erster Verdacht das Herz betreffend war nun, dass es ihm dargereicht werden soll, die verkrampfte Haltung der Hand lässt aber eher vermuten dass es festgehalten wird damit es nicht zu dem Mann gelangt. Könnte es das Herz der Autorin sein, bei dem ihr Wille versucht das Herz zurückzuhalten, sich einem Mann zuzuwenden der daran kein Interesse hat? Kann man dieses Bild also vielleicht sogar in einem emanzipatorischen Zusammenhang sehen, da es veranschaulicht dass der Wille dieser Frau ihre Triebe kontrolliert? Habe ich hier also eventuell ein Stück feministische Literatur vor mit? OK, genug interpretiert, jetzt wird es Zeit für Fakten. Die Buchbeschreibung revidiert meinen ersten Eindruck wieder, es scheint sich also wohl doch um ganz normale weibliche Literatur zu handeln. Die Protagonistin des Buches, die Autorin selber, stellt die großen Fragen über das Singledasein:
„Wie viele Männer braucht eine Frau bis zum Glück? Gibt es nur einen Traummann oder mehrere? Reißen einem Männer wirklich absichtlich das Herz aus der Brust? Wie oft kann ein Herz brechen? Ist Single sein wirklich immer schlimm? Jessica ist jung und versucht genau diese Fragen mit Hilfe ihres Herzens und ihres Kopfes herauszufinden. Auf eine charmante und nicht unterzukriegende Art lernt sie Männer kennen und lieben.“
Zugegeben, ich bin jetzt schon ein wenig schlauer was meine Titelbildinterpretation angeht (Trennung von Herz/Triebe und Kopf/Wille) aber kann die Art dieses Buches noch immer nicht einordnen. Die Amazon-Kategorisierung bietet mir „Humor“ und „Ratgeber Liebe“ als Hilfen an. Also vielleicht ein humorvoller Ratgeber zum Thema Liebe? Naja, sowas zu lesen kann ja nie verkehrt sein, also durchforste ich mal „Die Männerliste“. Sie beginnt mit einem Vorwort, in welchem kurz über das Singledaseins nachgedacht wird. Außerdem wird hier die Theorie eingeführt, dass jede Frau eine sogenannte Männerliste hat, daher eine Aufzählung von Männern „die ihr Herz berührt haben und den wahren Menschen hinter dieser Frau sehen durften […] sie kann kurz oder lang sein“. Naja, wir haben hier 220 Seiten, offensichtlich wird dieser Männerliste ein wenig umfangreicher ;-) Die eigentliche Handlung beginnt im Oktober 2010. Jessica ist 20, laut eigener Aussage sehr hübsch, und ganz plötzlich Single. Verständlicherweise ist sie da erstmal ziemlich traurig, aber prinzipiell ist Jessica kein Kind von Traurigkeit und findet bald die ersten „Zärtlichkeiten“. Nun wäre das Buch hier schon zu Ende, aber natürlich will der Mann (der Schlingel :-P) nur Sex und natürlich will Jessica (und alle so im Chor: Klischee) eine feste Beziehung. Es folgt also die nächste große Enttäuschung und dann noch eine und noch eine und noch eine und noch eine und das geht dann drei Jahre lang so. Immerhin, bis zur neumodischen Beziehungsform des „Mingle“ schafft sie es einmal, aber irgendwie hat Jessica immer nur Pech mit den Männern. Dabei wirkt sie getrieben, sowohl von sich selbst beziehungsweise ihrem sehnlichsten Wunsch nach einer Partnerschaft als auch von den äußeren Gegebenheiten und sozialen Normen (ländliche, konservative Region). Immer wieder blitzt dabei im Text, trotz ihres eigentlich progressiven Liebesverhaltens, auch immer ein tiefsitzender innerer Konservatismus durch. An manchen Stellen wirkt das Buch dabei fast wie ein Sittengemälde der modernen bayrischen Landjugend. Die Handlung liest sich wie ein mit gelegentlichen theoretischen Überlegungen gespicktes Tagebuch. Nun kann solch ein Konzept ja prinzipiell hervorragend funktionieren, siehe der wohl passendste Vergleich „Bridget Jones“ (nebenbei mein Thema im Leistungskurs Englisch-Abitur, was nun nicht gerade für die Qualität des Sachsen-Anhaltinischen Abiturs steht ;-)). Dabei handelt es sich jedoch um ein Kunstprodukt, welches gezielt auf Humor und dramatische Handlungsbögen konzipiert wurde. „Die Männerliste“ aber ist sozusagen ein Erlebnisbericht, sozusagen das echte Leben, und da gibt es halt nicht den klassischen Handlungsverlauf und zu lachen gibt es eigentlich auch nix. Ganz im Gegenteil, der Grundton ist eigentlich sehr bedrückend, da man durchaus Mitleid mit Jessica bekommt: So viel Mühe beim Streben nach einer neuen Beziehung, und dann vermasseln die Männer es immer wieder :-( Wobei, vermasseln sie es wirklich? Ein Tagebuch ist die vielleicht subjektivste Form der Literatur, das muss man im Hinterkopf behalten. Die Möglichkeit, nun hier in einem fremden Tagebuch zu lesen, lässt mich als Leser also nie ein objektives Gesamtbild der Lage erfassen, Selbstkritik durch die Autorin findet kaum statt. Aber es befriedigt zutiefst meinen Voyeurismus :-D Der voyeuristische Lesespaß wird allerdings durch die Tatsache getrübt, dass dieses Buch unbedingt ein vernünftiges Lektorat benötigt hätte! Die Zeitformen wechseln abrupt, mehrere Sätze fangen mit dem gleichen Wort an, substantivierte Verben scheint es in der Provinz nicht zu geben und die Autorin liebt offensicht sogenannte Deppenleerzeichen (Link). Außerdem gibt es durchaus mal Wiederholungen und Umschweife, welche den Handlungsfortschritt ein wenig ausbremsen. Was mich aber wirklich gestört hat: Die rhetorischen Fragen! Also nicht falsch verstehen, ich liebe dieses Stilmittel, denn wer liebt es nicht? ;-) Aber solche Fragen wie „Warum verhalten sich Männer so?“ bringen mich als Leser nicht weiter. Oder sind die Fragen gar nicht rhetorisch? Dann fehlt die Antwort! Oder sind diese Fragen vielleicht besonders raffinierte Stilmittel, welche die weibliche Ohnmacht in Hinblick auf männliches Verhalten darstellen sollen? Was mich auch ein wenig an der „Handlung“ gestört hat: Irgendwann kommt man durcheinander. Es schwirren so viele männliche Namen von Ex-Liebschaften herum, dass man schon angestrengt nachdenken muss. Ehrlich, in diesen drei Jahren war Jessica wirklich kein Kind von Traurigkeit auf ihrer Suche nach einer Beziehung. Irgendwann gegen Ende schreibt sie selber, dass es bei einem Fußballspiel jetzt wohl schon 10:0 für die Männer stehen würde. Ich habe mir die Mühe gemacht und mal nachgezählt und kann nun behaupten, sie hätte das Spiel fast doppelt so hoch verloren :-P OK, was bringt mir dieses Buch? Oder, da die meisten Leser meines Blogs höchstwahrscheinlich junge erwachsene Männer sind (wäre mal wieder Zeit für ne Leser-Feedback-Umfrage, oder? ;-)), was bringt ihnen dieses Buch wo es doch sehr offensichtlich nicht für diese Zielgruppe geschrieben wurde? Auf den ersten Blick wird nur der Voyeurismus befriedigt, auf dem zweiten Blick kann man aus diesem Buch aber eine ganze Menge Vorurteil… ähm Erfahrungen über Frauen bestätigen: Frauen lieben kitschige Sachen… Frauen kriegt man besoffen leichter rum… Frauen die verzweifelt sind lassen ihre Anforderungen sinken… Frauen mögen die 3-Tage-Regel nicht... Frauen sind launisch… Frauen wollen Kinder… Frauen haben eine flexible Moral (Motto „bei mir ist das was ganz Anderes als sonst“)... Frauen leiden wegen Männern, und zwar sehr viel und intensiv… Das Buch endet eigentlich, wie es angefangen hat: Jessica ist nach drei Jahren immer noch Single, dafür aber gereift. Sie will es auf sich zukommen lassen und nicht mehr unbedingt zwanghaft nach einem Freund suchen. Und damit hätten wir jetzt eigentlich einen schönen Schluss, der nun doch schon wieder ein wenig emanzipatorisch daherkommt… Aber halt! Nein, man kann den Leser doch nicht ohne Happyend entlassen! Irgendwie nachträglich dran montiert wirkt das letzte Kapitel, indem Jessica ihre neue große Liebe, ihren Seelenverwandten, das personifizierte Ende ihrer Männerliste beschreibt. Wer dieses Happyend mag, soll nun nicht mehr weiterlesen :-D Denn hier kommt das wahre Leben… Christoph, so heißt der Glückliche am Ende des Buches, war nicht der erhoffte Heilsbringer. Woher ich das weiß? Jessica August ist ein Pseudonym, sie ist eine Bekannte von mir (und sie hat über ihr Aussehen im Buch nicht gemogelt, wirklich Bombe). Christoph heißt, wie alle anderen Personen im Buch auch, anders. Und ich, ich bin der Horst. Zumindest hoffe ich, dass ich der Horst geworden wäre (oder irgend ein anderer cooler Name), wenn ich es noch mit ins Buch geschafft hätte. Denn in der nun doch nicht abgeschlossenen Männerliste hab ich auch meinen Platz gefunden. Wenn ich mir so meine Listen-Kollegen anschaue, hätte es sicher für 3 – 4 Seiten gereicht :-D Und deshalb sind wir alle auf der Männerliste auch Frischhaltefolie, da wir eben nicht Jessicas Seelenverwandter sind. Nun klar, warum ich mich so bemühte eine objektive Buchrezension zu schreiben aber vermutlich höchst subjektiv geschrieben habe? PS: Jessica weiß nicht, dass ich weiß dass sie sie ist und dass ich ihr Buch rezensiere. Und falls jemand sich fragt, mit welchem Gefühl ich diesen Text schrieb: Mit Dankbarkeit.
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