Robert Kirkman, legendärer Schöpfer der ungemein populären Zombie-Apokalypse-Reihe „The Walking Dead“, hat wieder mal ein neues Projekt gestartet. „Oblivion Song“ wurde von Fans und Kritikern mit Lob überschüttet – Naja, wenn alle loben, dann werde ich immer misstrauisch, also war ich natürlich sehr gespannt, ob die halb post-apokalyptische, halb dystopisch-futuristische Comic-Serie wirklich so gut ist :-)
10 Jahre ist es her, dass 300.000 Einwohner der US-Metropole Philadelphia urplötzlich verschwanden. Aber sie waren nicht tot, sondern landeten in der Paralleldimension Oblivion. In dieser ist Philadelphia kaum mehr als eine von riesigen Sporenpilzen überwucherte und von zahllosen Gruselmonstern bevölkerte Ruinenstadt. Wirklich viele Einwohner haben diesen unfreiwilligen Dimensionssprung nicht überlebt, sodass die US-Regierung auch irgendwann die Rettungsbemühungen einstellte. Lediglich der Protagonist Nathan Cole springt, unterstützt von einem kleinen Team loyaler Wissenschaftler, immer wieder zwischen den Dimensionen hin und her, um die letzten Überlebenden zurückzuholen. Ganz so uneigennützig macht er das aber nicht, ist er doch auf der verzweifelten Suche nach seinem verschollenen Bruder. Als er den Kontakt mit einer Gruppe Oblivion-Überlebender aufnimmt, die allerdings gar nicht mehr zurück in die reale Welt will, schöpft er neue Hoffnung...
Zugegeben, das klingt jetzt eigentlich eher nach typischer Post-Apokalypse mit überwucherten Ruinen und riesigen Mutationsmonstern, wie sie beispielsweise kürzlich auch „Nach der Apokalypse“ (Link) wesentlich schlechter zelebrierte. In „Oblivion Song“ aber spielt Robert Kirkman seine ganze Expertise für umfangreiche Serien aus: Einerseits sind die beiden Dimensionen so konträr zueinander, dass LeserInnen hier genug Szenario-Abwechslung geboten bekommt: Während die Oblivion-Dimension mit dem alltäglichen Kampf ums Überleben und der Zusammenrottung der wenigen verbliebenen Menschen wie eine noch alptraumhaftere Variante von „The Walking Dead“ wirkt, beschäftigt sich die reale Welt mit den sozialen und politischen Folgen des Vorfalls. Beispielsweise, ob und wie sich Zurückgeholte in ihr neues/altes Leben integrieren und wie eine ganze Gesellschaft um eine Erinnerungskultur und um Patriotismus ringt. Und andererseits sind die bisher vorgestellten Figuren auch durchweg interessant und mehrschichtig gestaltet, sie haben allesamt individuelle Motivationen, Probleme und Geheimnisse.
Die grafische Präsentation ist hier mal wieder Geschmackssache, ich finde aber gerade die alptraumhaften Oblivion-Szenen sehr stimmungsvoll, auch dank der atmosphärischen Kolorierung. Keine Geschmackssache, sondern wie immer gut, ist die Druckqualität vom „Cross Cult“-Verlag. (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat). 22 € im Hardcover für 144 Seiten (inkl. etwas Bonusmaterial), das geht in Ordnung.
Fazit: Der Sammelband „Oblivion Song #1“ (Link), welcher die ersten sechs US-Hefte enthält, begeistert mit einer spannenden Geschichte und interessanten Figuren. Tatsächlich möchte ich mich deshalb den Lobeshymnen der anderen LeserInnen und KritikerInnen anschließen :-D