…ja und ich weiß, das Jahr hat gerade erst angefangen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass noch irgendein gebloggtes Produkt 2015 mich so in Fassungslosigkeit bringen wird :-( Achja, eh meine geschätzten lesenden Rollenspieler jetzt ebenfalls fassungslos werden, dass ich schon wiederein Brettspiel als Thema habe – Nächste Woche kommt wieder Rollenspielkram! Versprochen! Denn der Mantikore-Verlag war so freundlich mir ein unfassbar dickes Solo-RPG-Buch zu schicken und da kämpf ich mich gerade (um mal zu spoilern: genussvoll) durch. Außerdem arbeite ich grad an einem Interview mit einem deutschen Indy-RPG-Hersteller. Also keine Sorge, ich hab meine Zielgruppe nicht vergessen ;-) Jetzt aber mal zu dem Skandalspiel des Jahres…
Es handelt sich hierbei um die zweite Edition vom Partyspiel „Cash ‘N Guns“. Hier verkörpern die Spieler eine Gruppe Gangster, die sich nun um die Aufteilung der Beute streiten. Und wie wir vom Ausnahmeregisseur Quentin Tarantino in „Reservoir Dogs“ gelernt habe, läuft das gelegentlich aus dem Ruder… 8 Runden lang müssen die Spieler überleben und nebenbei noch die meiste Beute einsacken.
Wie funktioniert dieses Party- bzw. Bluffspiel nun? Jeder Spieler erhält eine Schaumstoffpistole, 5 Klick-Karten (Platzpatrone) und 3 Bang!-Karten (scharfe Munition). Zu Beginn jeder Runde wird die Beute ausgelegt, dann entscheidet sich jeder Spieler ob er eine Klick- oder eine Bang!-Karte für diese Runde auswählt. Der Pate (anfangs der älteste Spieler, dann derjenige der die Spezialkarte zieht) zählt langsam bis 3 und alle Spieler richten die Waffen aufeinander. Nun zählt der Pate wieder bis 3, dann müssen die Spieler entweder „schießen“ oder in Deckung springen. Fliehen sie in Deckung, sind sie diese Runde raus. Bleiben sie aber standhaft und werden nicht angeschossen – etwa weil kein Gegner auf sie zielt oder nur mit Platzpatronen – dürfen sie sich die Beute nehmen. Hat man mehr als 3 Wunden, stirbt man und scheidet aus dem Spiel aus.
Im Prinzip war es das schon mit den Regeln. Kein Wunder, dass knapp die Hälfte des 4-seitigen Regelheftchens aus simplen, aber stimmigen Comic-Bildern besteht :-) Für erfahrenere Spieler gibt es noch mehr Sondercharaktere: Neben dem Paten, dessen Vorrecht es ist den Countdown zu zählen und eine Waffe umzulenken, gibt es beispielsweise auch den Glückspilz (wenn er 2 oder mehr Schaden bekommt, zählen diese nicht) und das Kind (darf nach allen Anderen zielen).
Das Spiel ist also trotz Sonderregeln wirklich simpel und stellt außer ein wenig Glück und Bluff-Fähigkeit (hab ich gerade scharfe Munition geladen?) keine weiteren Ansprüche. Wer zu taktisch oder vorsichtig agiert (z.B. gezielt Spezialkarten anstatt der Beute ziehen wie beispielsweise Extramunition) ist entweder schnell tot oder liegt beutemäßig soweit zurück, dass er kaum noch eine Chance auf den Sieg hat.
Vermutlich denkt sich der Leser jetzt „ach das klingt doch nach einem witzigen Partyspiel“. Und ich will auch nicht abstreiten, dass es sicherlich in geselliger Runde Spaß macht – zahlreiche Rezensionen bestätigen meine persönliche Spielerfahrung :-) Aber mal ernsthaft: Bin ich eigentlich der Einzige, der sich daran stößt dass wir „Erschießen“ als niedliches Partyspiel zocken sollen? Finde ich es als Einziger bedenklich, dass dieses Spiel schon „ab 10 Jahren“ eingestuft ist? Bevor mich jetzt jemand als pazifistischen Spinner abtut, ich habe prinzipiell keine Probleme damit mit „Spielzeugwaffen“ oder „Sportgeräten“ auf andere Menschen zu Zielen, siehe meine Paintball-Karriere! Und nochmal: Aber mal ernsthaft, beworben als Partyspiel ab 10? Ich finde das reicht aus, um sich den Titel als Skandalspiel des Jahres zu sichern ;-) Wer anderer Meinung ist oder persönliche Anmerkungen hat, ist herzlich eingeladen sich in den Kommentaren auszutoben!
Falls meine moralischen Apelle noch nicht gefruchtet haben, hier noch ein gewichtiges Argument gegen den Kauf: Der Preis! Der liegt bei den von mir durchsuchten Shops ungefähr bei 40 € (je nach Händler +/- 5 €). Ein wirklich happiger Preis für ein eher mager ausgestattetes Spiel. Nur zum Vergleich: Für das Geld kann ich schon einen ganzen Tag beim Paintball rumballern, mir mehrere Klassiker von Quentin Tarantino auf DVD kaufen oder ganz klassisch ein ganzes Rollenspiel-Hardcover-Grundregelwerk in meinen Besitz bringen.
Nachtrag: Ich habe mich zu diesem Spiel mit einem befreundeten Vater unterhalten, der als Sozialarbeiter für Gewalttäter arbeitet. Kurz: Jemandem, der viel mehr Ahnung von dem Thema hat als ich. Er sagte: "Ich halte das Spiel bei Kindern mit einem normalen Selbstbewusstsein für weniger bedenklich, da die Aktion mit der Pistole im Spiel verschwindet und somit die Gewalt und Macht nicht im Vordergrund steht, sondern eigentlich nur zum Spielablauf gehört."