Auch wenn Spielbuch-Altmeister Joe Dever bereits vor anderthalb Jahren verstorben ist, lebt sein Vermächtnis doch in seinen zahlreichen Werken rund um die Fantasy-Welt Magnamund weiter. In schöner Regelmäßigkeit bringt der kleine deutsche „Mantikore Verlag“ (Link) nach und nach seine Werke in neuer Übersetzung heraus. Neben der „Einsamer Wolf“-Hauptserie kommen nun auch kleinere Nebenserien wie zuletzt „Die neuen Kai-Krieger“ (Link) und nun eben auch „Greystar“. Der Auftaktband der vierteiligen Reihe trägt den Namen „Der junge Magier“ und handelt – wer hätte das gedacht? – von einem jungen Magier :-P Ob seine Abenteuer wohl genau so unterhaltsam sind wie die des Einsamen Wolfs?
Vor vielen Jahrtausenden wurden die magisch begabten Shianti von den altertümlichen Menschen als gottgleiche Wesen angebetet. Das gefiel der „echten“ Göttin Ishir ganz und gar nicht, sodass sie die Shianti vertreiben wollte. Letztendlich einigte man sich darauf, dass die Shianti den mächtigen Mondstein (um den es auch in den „Die neuen Kai-Krieger“-Spielbüchern (Link) geht) abgeben mussten, dass sie sich selbst auf eine einsame Insel ins Exil „verbannten“ und dass sie von dort aus keinesfalls in die Menschheitsgeschichte eingriffen. Soweit, so gut, doch irgendwann gestattete ihnen das Schicksal, diese göttlichen Auflagen zu umgehen: Ein Schiffswrack wurde angespült, in ihm ein kleines Menschenkind. Die Shianti erkannten ihre Chance und zogen es als eines der ihren auf – Nicht ganz selbstlos, denn das zum Magier ausgebildete Kind mit dem poetischen Namen Silberstern soll stellvertretend für sie den diktatorischen Hexenkönig (der mit seiner Macht nicht nur die Menschen knechtete, sondern auch die Shianti bedroht) stürzen. Dazu muss Silberstern den mächtigen Mondstein wiederfinden, doch das ist gar nicht so einfach...
Die Mondstein-Suche, welche sich über vier Bände erstrecken wird (der zweite Band mit dem Titel „Die verbotene Stadt“ (Link) ist bereits in Vorbereitung und soll Anfang Juli erscheinen), gestaltet sich als – und das ist keinesfalls despektierlich gemeint – typisches „Joe Dever-Spielbuch-Erlebnis“: Die mit allerlei Fantasy-Klischees gewürzte Geschichte (inklusive Kerkersequenz und zwielichtiger Spelunke) ist 350 Abschnitte lang und bietet kaum mehr als eine Aneinanderreihung von einzelnen Herausforderungen, welche man zumeist mit dem richtigen Ausrüstungsgegenstand (so man ihr denn besitzt, was quasi zur größtmöglichen Erkundung der Spielwelt „zwingt“) oder dem passenden Zauberspruch meistern kann. Ist man nicht gut vorbereitet, kann man sich oft auch noch mit einem fordernden Kampf behelfen, wobei dies doch eher die letzte Option sein sollte. Denn man ist halt doch „nur“ ein junger Magier und kein schwerbewaffneter Kriegsveteran ;-) Auf die Kampfregeln und die Charaktererschaffung geh ich diesmal nicht extra ein, die hat sich zu den anderen Joe Dever-Spielbüchern (welche hier in der Rezi schon mehrfach verlinkt wurden, sucht Euch einfach eine aus :-)) nicht groß geändert. Manchmal muss man ber auch einfach seinem Glück vertrauen, etwa wenn man ohne Infos zwischen den verschiedenen Optionen wählen muss oder wenn man das Ergebnis einer Herausforderung einfach auswürfelt – Frustrierende Spieldesignersünden, die einfach nicht totzukriegen sind :-P Für mich, der ich aber zugegebenermaßen nicht alle „Einsamer Wolf“-Spielbücher kenne, war jedoch neu, dass man diesmal zeitweilig zwei Begleiter an seiner Seite hatte. Die sind zwar nicht mehr als ein nette Zugabe, nämlich sozusagen Reiseführer auf zwei Beinen, aber sie lockern den Solo-Trip des jungen Magiers doch merklich auf. Schade ist nur, dass beide Figuren (der weitgereiste Händler Shan und die entflohene Hexenschülerin Tanith) ziemlich blass bleiben – Achtung ziemlich vorhersehbarer Spoiler – wodurch mich ihr vorzeitiges Ableben emotional kaum berührt hat. Aber auch Silberstern lässt der Verlust ziemlich kalt, denn nur die Mission zählt ;-)
Noch mehr tote Begleiter beschert das 165 Abschnitte lange Bonus-Abenteuer „Die Jagd nach dem Drusenbaum“. Hier soll man als kampfschwacher Kräuterkundiger ein dringend benötigtes Baumharz finden, welches eine grassierende Seuche heilen kann. Als Eskorte werden neun Elite-Ritter abgestellt, die dann nach und nach durch verlustreiche Kämpfe und fiese Fallen dahingerafft werden – Auch hier gilt: Nur die Mission zählt und damit das Überleben des Spielers :-) Dieses Bonusabenteuer spielt zeitgleich mit „Der junge Magier“ und nimmt dabei mehrfach Bezug auf die Ereignisse in der Hauptgeschichte. Man kann „Die Jagd nach dem Drusenbaum“ zwar auch einzeln für sich spielen, aber wenn man plötzlich das gleiche Ereignis aus einer anderen Perspektive erlebt, dann ist das schon eine echt nette Idee. Die Bezeichnung „eine echt nette Idee“ passt auch gut zur Bewertung der Abenteuerhandlung, denn mehr noch als die Hauptgeschichte ist diese Bonusepisode kaum mehr als eine arg dünn erzählte Aneinanderreihung von tödlichen Herausforderungen. Immerhin bemüht sich der Autor Florent Haro aber redlich, die einzelnen Szenen gut und umfangreich zu beschreiben – So kommt es dann auch, dass die 165 Abschnitte des Bonusabenteuers so ziemlich genau die gleiche Seitenanzahl umfassen wie die 350 Abschnitte der Silberstern-Geschichte.
Fazit: „Greystar: Der junge Magier“ (Link) bietet die qualitativ und quantitativ gewohnt ordentliche Spielbuch-Kost für Fans von Joe Devers nostalgischen Abenteuern. Auch der „Mantikore Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat) liefert wie gewohnt ab, sodass der Preis von 14,95 € für ein 504 Seiten starkes Taschenbuch vollkommen in Ordnung geht.