Und weiter geht es mit der „Nullpunkt“-Kampagne für den Mythos-Weltkriegs-Rollenspielmix „Achtung! Cthulhu“ (Link). Meine Erwartungen an das zweite Abenteuer „Helden der See“ waren, nachdem ich den Kampagnen-Auftakt „Drei Könige“ (Link) hoch und runter gespielt habe, entsprechend hoch – Würden die Schwächen beibehalten oder ausgemerzt? Und vor allem, würde es wieder so verdammt schwer werden?
Nachdem die britische Sektion D im Kampagnen-Auftakt „Drei Könige“ einen allerersten Eindruck davon gewinnen konnte, dass die Nazis auch auf übernatürliche Weise aufrüsten, wurden die Spionage-Einsätze ausgeweitet. Die Geheimagentin Agatha Marcham, Deckname WOTAN, ging dabei mit brisanten Informationen während der Schlacht um Dünkirchen verloren. Während nun das gesamte britische Expeditionskorps zum Strand eilt, um evakuiert zu werden, sollen die Investigatoren genau in die entgegengesetzte Richtung ;-) Marcham zu finden ist dann auch gar nicht schwer, doch scheint sie in einen unnatürlichen, komatösen Schlaf gefallen zu sein. Ihre Geheimdokumente offenbaren jedoch, dass eine SS-Mythos-Einheit unter der Führung von Himmlers Zauberer Walpurgen und einer Fischhexe in die tiefen des Meeres hinabtauchen soll, um mittels eines dort geborgenen Artefakts den von Briten und Franzosen überfüllten Strand zu überfluten... Für die Investigatoren beginnt damit ein Wettlauf gegen die Zeit, der sie nicht nur in die tiefen des Ozeans und auf die hart umkämpften Schlachtfelder rund um Dünkirchen führt, sondern auch in eine Nazi-Kolonie in den Traumlanden.
„Helden der See“ ist in fünf Episoden unterteilt, welche wiederum in mehrere Unterszenen aufgeteilt wurden. Dabei ist deren Abfolge nur in den seltensten Fällen starr vorgegeben, zumeist entwickelt sich die Geschichte anhand der Aktionen der Investigatoren. Eine gut durchdachte Würfeltabelle für Zufallsbegegnungen sorgt zudem dafür, dass wohl jede Spielgruppe einen etwas anderen Verlauf des Abenteuers erleben wird :-) Achtung, ab jetzt wird hart gespoilert: Folgen sie aber dem eigentlichen Plan, müssen sie sich in der ersten Episode Hinter feindlichen Linien durch die feindlichen Linien kämpfen und in einem kleinen Dörfchen die vermisste Agentin aufstöbern. Deren Unterlagen führen sie in der zweiten Episode in den Hafen von Nieupoort, wo sie Das U-Boot der Fischhexe infiltrieren müssen. Dieses enthält ein Portal, mit dem sie in der dritten Episode in die Traumlande-Region Maglemose gelangen. Dort können sie den Geist von Marcham aus einem SS-Traumstaffel-Stützpunkt befreien und auch das kultistische Ritual der Meeresschamanen stören. Ebenfalls von den Investigatoren gestört werden sollte Der Tauchgang der SS-Taucher zur Bergung eines alten Artefakts in der vierten Episode, welches für die Umsetzung des okkulten Überflutungsplans notwendig ist. Hat das alles nicht geklappt – und es ist verdammt unwahrscheinlich, dass das klappt – folgt das große Finale in der fünften Episode: Der Anstieg des Meeres beginnt nach einem weiteren Ritual, wegen dem Tiefe Wesen aus dem Wasser steigen und das britische Expeditionskorps niedermetzeln...
Dieses Abenteuer enthält also so ziemlich alles, was sich „Achtung! Cthulhu“-SpielerInnen so wünschen: Dramatische Weltkriegsereignisse als Hintergrund einer spannenden und abwechslungsreichen Ermittlungsmission gegen fiese Okkult-Nazis und Mythos-Wesen :-) Dabei bleibt den Investigatoren einen große spielerische Freiheit in ihrer Vorgehensweise, sodass „Helden der See“ meiner Meinung nach wieder eher für erfahrene SpielleiterInnen geeignet ist, die kein Problem damit haben rasch zu improvisieren und die (eigentlich gut in einzelne Szenen aufgeschlüsselte) Episoden eher als eine Art stichpunkthafte Richtschnur zu begreifen. Spätestens ab Mitte der zweiten Episode kann alles Mögliche passieren – Auch, dass man mal eine Episode komplett überspringt. Aber keine Panik, selbst dann ist der Umfang des Abenteuers noch mehr als ausreichend: Wo man den Vorgänger „Drei Könige“ mit einer zielgerichteten Gruppe schon nach ein bis zwei Abenden durch hatte, kann man hier bei spielfreudigen Investigatoren auch gern mal mehr als fünf Spielabende veranschlagen – Wobei, da der Schwierigkeitsgrad noch immer recht fordernd ist, kann der Spaß auch wieder rasch vorbei sein :-P Gerade mit den „Call of Cthulhu“-Regeln gestalten sich selbst Zufallsbegegnungen ungemein tödlich, sodass die diesmal angeregte Trefferpunkt-Anpassung durchaus sinnvoll ist. Nach wie vor bin ich aber der Meinung, dass „Achtung! Cthulhu“ allein schon des Pulp-Gefühls wegen dafür gemacht ist, mit „Savage Worlds“-Regeln gespielt zu werden; aber da sind die Geschmäcker bekanntlich verschieden ;-)
Wie alle anderen Bücher aus dieser Produktlinie ist die Präsentation wieder sehr gelungen: Die gut geschriebenen und übersichtlich gelayouteten Texte sind durch zahlreiche Notizzettel und auch ein paar stimmungsvolle Illustrationen aufgelockert. Zudem werden SpielleiterInnen in ihrer Arbeit durch sehr gut gemachte Handouts, (leider nur) viel vorgefertigte Charaktere und strukturierte Tabellen & Einheitenwerte unterstützt. Und die neuen Regeln, Zauber und Fahrzeuge werden sicherlich ihren Einzug in so manch andere „Achtung! Cthulhu“-Spielsitzung finden. Kurz: Man erhält hier ordentlich Material für sein Geld, sodass der vom „Uhrwerk Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) verlangte Preis von 14,95 € für das 76 Seiten starke Softcover bzw. 8,99 € für die PDF (Link) durchaus in Ordnung geht.
Fazit: „Achtung! Cthulhu: Helden der See“ (Link) ist ein spannendes, abwechslungsreiches Weltkriegs-Pulp-Abenteuer für erfahrene Spiel(leit)erInnen :-)