Der renommierte „Splitter Verlag“ rühmt sich ja mit dem Werbeslogan „Comics für Erwachsene“. Selten haben diese Worte besser zu einer Graphic Novel gepasst als zum Auftaktband der zweiteiligen Miniserie „Die Erektion“. Ein Langzeitpärchen in der (erotischen) Midlife-Crisis, das an der Erkenntnis des Älterwerdens und an lange unter den Teppich gekehrten Problemen auseinanderzubrechen droht – So eine deprimierende Geschichte will man halt wirklich nur Erwachsenen zumuten ;-) Kurz vor Weihnachten: Eigentlich sollte es eine kleine, aber feine Geburtstagsfeier zu Leas 48. Geburtstag werden. Nur sie, ihr Langzeitfreund Florent sowie ihre beste Freundin Alexandra mitsamt deren schmierigen Freund Jean-Fabrice. Das übliche Blabla, ein wenig Wein und ein paar gut gemeinte Geschenke – Aber gut gemeint ist halt nicht immer gut gemacht, wie alsbald Florent feststellen muss. Denn eigentlich will er Lea nur eine ganz besondere Geburtstagsnacht bieten, indem er sich die Maximaldosis des Blutdrucksenkers Sildenafil einwirft – Landläufig bekannt als Viagra. Leider versteht Lea dieses Geschenk gleich in doppelter Hinsicht falsch: Erst glaubt sie, Florents Erektion bezieht sich auf ihre Freundin Alexandra, was in einer furiosen Eifersuchtsattacke mündet. Dann, als er ihr sein spezielles „Geschenk“ erklärt, kommt es noch viel schlimmer: Nun glaubt sie, er benötige dieses Medikament nur, weil er sie ansonsten nicht mehr begehrt – Und einmal in Wallung, kramt sie gleich noch all die Probleme und Unzufriedenheiten hervor, die sie sonst unter den Teppich gekehrt hat... Im Grunde ist „Die Erektion #1“ ein an Theater erinnerndes Zwei-Personen-Stück, bei dem die Handlung mit jedem Akt eskaliert. Dabei kommen beide Hauptfiguren, die irgendwo zwischen überspitzter Charakterzeichnung und plakativer Karikatur angelegt wurden, nicht gut weg: Florent erkennt nicht das eigentliche Problem und macht es mit seiner fortwährenden Geilheit noch schlimmer, während Lea anfangs auf eine fast schon unglaubwürdige Art eifersüchtig und vor allem aber hysterisch wirkt. Doch rasch bemerkt man, dass das missglückte Erektionsgeschenk ein irgendwie sogar willkommener Vorwand für Lea ist, um alte Wunden wieder aufzureißen und mal so richtig ihre Unzufriedenheit mit dem Älterwerden und dem Leben als Ältere ausleben zu können. Nach der Lektüre des 72 Seiten starken Hardcover-Bandes, den der „Splitter Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) in wie immer sehr guter Druckqualität für 16,80 € veröffentlicht hat, ist man sich als LeserIn noch nicht ganz sicher wohin die erzählerische Reise gehen wird – Gerade auch, weil es einen ganz hervorragenden Cliffhanger gibt, der ordentlich Potential für noch mehr Drama hat ;-) Dieser Auftaktband mit seinen gut geschriebenen Dialogen und den einfachen, aber gefälligen Zeichnungen schafft es aber ganz hervorragend, dass man ein echtes Interesse an dem Schicksal der Figuren und ihrem weiteren Streitverlauf entwickelt. Fazit: Selten war eine erotische Beziehungskrise so interessant wie bei „Die Erektion #1“ (Link) – Definitiv keine leichte Kost, aber wer sich für die deprimierenden Probleme von Midlife-Crisis-Pärchen begeistern kann, wird hier sehr gut unterhalten :-)
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