Als Dorfkind kann ich nur bestätigen, dass es für Jugendliche sicherlich spannendere Tätigkeiten gibt, als zuzusehen wie das Gras wächst. Da flüchtet man sich gern mal in Tagträume, in denen man als großer Held die Welt rettet – Genau so ergeht es auch Ordo, dem Protagonisten von Jörg Bennes neustem Roman aus der „Legenden von Nuareth“-Reihe. Nachdem die „klassische“ Fantasy-Geschichte „Die Stunde der Helden“ trotz wohlwollender Kritiken (Link) nicht ganz den erhofften Erfolg hatte, wechselt der Autor (Link zum Interview) diesmal zum Horror-Genre. Na, ob das so eine gute Idee war? Wie in der Einleitung geschrieben steht das jugendliche Dorfkind Ordo aus dem beschaulichen Brensacker im Mittelpunkt der Handlung. Gern wäre er ein glorreicher Held, stattdessen muss er sich aber um seine Mutter kümmern. Als ein schrecklicher Sturm den Zugang zu einer längst vergessenen Tempelanlage freilegt, zaudert er nicht lang: Mit seinem besten Freund Varjan erkundet er die unterirdischen Ruinen. Und tatsächlich scheint sich das Risiko zu lohnen, denn sie kehren abends mit einer wertvollen Goldmünze heim. Ende gut, alles gut? Nein, denn am nächsten Morgen ist Varjan mitsamt seiner Familie verschwunden. Da es in ihrem kleinen Bauernhäuschen zudem wie in einem Schlachthaus aussieht und sich der örtliche Dorfschulze vollkommen überfordert zeigt, wird aus der nahegelegenen Stadt ein kleiner Wachtrupp herbeordert, der den Vorfall untersuchen soll. Ein möglicher Zusammenhang mit der unterirdischen Tempelanlage ist rasch ermittelt, sodass zügig ein kleiner Erkundungstrupp (neben dem gar nicht mehr so mutigen Ordo etwa ein Priester, eine Magierin, mehrere Stadtgardisten sowie „zwangsrekrutierte“ Abenteurer & Entdecker) zusammengestellt wird. Und so wagt sich das gemischte Grüppchen in die Tiefen des Tempels, um sich gegen allerlei menschliche, tierische und selbstverständlich übernatürliche Gegner zur Wehr zu setzen. Schon in seinem letzten Roman „Die Stunde der Helden“ sah sich der Autor mit dem Vorwurf konfrontiert – okay, Vorwurf ist ein hartes Wort, nennen wir es eher Interpretation ;-) – seine Romane würden zu sehr an die niedergeschriebenen Abenteuer einer Rollenspielrunde erinnern. Zugegeben konnte auch ich mich nicht dieses Eindrucks erwehren, aber dies ist keinesfalls despektierlich gemeint. Denn auch wenn die die Handlung gerade im späteren Verlauf an eine Aneinanderreihung von Herausforderungen (verschiedene Räume und Gegner) erinnert, ist sie dank des flüssig lesbaren, gut lektorierten und auch gruselig-atmosphärischen Schreibstils des Autors sehr unterhaltsam. Die eigentliche Geschichte ist dabei gar nicht mal so sehr komplex (Rein in den Tempel um die Familie zu finden, dann versuchen wieder raus zu kommen :-P), besitzt aber doch ein paar gezielt eingesetzte Story-Twists, die ich so nicht erwartet hätte. Sehr gut, Herr Benne! Ebenfalls nicht sehr komplex sind die meisten der handelnden Figuren, dafür gibt es aber auch einfach viel zu viele: Allein die Erkundungsgruppe besteht aus knapp einem Dutzend Männern und Frauen. Logisch, dass da den meisten Neben-, aber auch vermeintlichen Hauptfiguren kaum mehr als eine stereotype Charakterisierung zuteilwird. Aber hey, nicht wenige davon sterben eh ziemlich rasch ;-) Und hier findet sich das Hauptproblem des Romans: Dadurch, dass es so viele blasse Figuren gibt, berührt deren Tod den Leser kaum. Eine wesentlich übersichtlichere Gruppe, die einerseits tiefergehender charakterisiert worden wäre und andererseits auch „spezialisierter“ agieren würde (eigentlich können alle Figuren, außer die lichtspendende Magierin und vielleicht noch die mit Nachtsicht ausgestatteten Dashiri-Zwillinge, alle mehr oder weniger das gleiche - Das mag vielleicht eine realistischere Zusammensetzung sein als ein Haufen Spezialisten, lässt die Figuren aber auch beliebig austauschbar wirken), hätte gleich doppelt so viel Leserfreude gebracht. Dem Leser wirklich wichtig sind nur die zwei Figuren, aus deren Perspektive die Geschichte die meiste Zeit über erzählt wird: Einserseits der Bauernjunge und Möchtegernheld Ordo, zum anderen die in einer patriarchalen Gesellschaft um Anerkennung kämpfende Stadtgardistin Nilra. Ihre Gedanken und Gefühle, auch ihre charakterliche Weiterentwicklung, lassen den Leser mit ihnen mitfiebern. Okay, nach so viel Kritik nochmal was Positives zur Abrundung: „Dämonengrab“ ist wirklich unterhaltsam und spannend, zudem eröffnet es den Lesern der Reihe neue Facetten der Fantasy-Welt Nuareth. Ganz subjektiv würde ich schätzen, dass „Dämonengrab“ vom Genre her aus ungefähr zwei Dritteln Fantasy und einem Drittel Horror besteht. Trotz einiger weniger Härten kann ich also auch zartbesaiteten Lesern (zu denen ich mich auch zähle ;-)) den Kauf empfehlen. Für das 330 Seiten umfangreiche eBook zahlt man faire 4,99 €, für das am 17. Januar erscheinende Taschenbuch 13,95 €. Fazit: „Dämonengrab“ (Link) von Jörg Benne (Link) ist ein gelungener Fantasy-Horror-Mix, der trotz des übersichtlichen Schauplatzes mit ein paar spannenden Story-Twists aufwartet und überraschend gut unterhält. Verdiente 81 % beziehungsweise 4,05 / 5 Sternchen eines dämonischen Bücherhändlers.
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