Ich werde ja immer mal wieder gefragt, warum ich eigentlich so auf dem „Splitternackt“-Imprint vom renommierten „Splitter Verlag“ rumreite. Und dann verweise ich gern beispielsweise auf die Comic-Dilogie „Die Göttin“ (Link), welche eindrucksvoll zeigt, indem man schlechte Geschichten nicht dadurch aufwertet, dass man hübsch gezeichnete Menschen hübsch gezeichneten Sex haben lässt.
 

Bild

Die Autorin dieses von mir wirklich hart verrissenen Zweiteilers (Link) hieß Katia Even, der man immerhin zugutehalten muss, dass sie weder ins Pornografische abdriftete (auch wenn die Handlung kaum komplexer war als ein Erotikfilmchen aus dem Spartensender-Nachtprogramm) noch dass sie sich auf absolute Normschön-Barbie-Püppchen beschränkte. Und so gab ich ihr nun eine weitere Chance, indem ich den „Splitter Verlag“ um ein Rezensionsexemplar von „Narzisse“ bat. Und ich spoilere jetzt gleich mal das Fazit: Chance vertan!

Die lesbische Sama hat ein Problem: Trennungsschmerz. Und zwar immer und immer und immer wieder, schon 20 „Beziehungen“ (bewusst in Anführungszeichen gesetzt) hat die junge Frau verschlissen. Und das soll jetzt kein Slut-Shaming sein, aber eine gewisse Lernresistenz muss man dem Mädel dann doch zugestehen. Sie stürzt sich nämlich von Beziehung zu Beziehung, um sich von dem (teils fast schon suizidale Züge annehmenden) Trennungsschmerz abzulenken. Leider reflektiert sie aber nicht, warum ihr all die Gespielinnen immer wieder den Laufpass geben, oder sie rastet gleich selbst aus und boykottiert aktiv ihr junges Glück... Das ist tatsächlich glaubwürdig, bis hierhin geht das Grundkonzept der 48 Seiten dünnen Geschichte auch völlig in Ordnung.

Aber wer jetzt erwartet, dass sie sich Sama selbstermächtigt oder emotional weiterentwickelt, wird leider enttäuscht. Eine neue Frisur, ein ganze Menge an queeren Sexszenen & Liebeleien sowie ein paar Heulerei-Selbstmitleid-Gespräche, schon ist die Geschichte vorbei. Sama hat ihre „Lösung“ quasi gefunden, aber da sie sich ja eh nicht weiterentwickelt, wird sie mutmaßlich auch diese Liebelei rasch zu Grabe tragen. Und dass, nebenbei bemerkt, übergriffiges und toxisches Verhalten in der Geschichte normalisiert und romantisiert wird, zeugt nun auch nicht von der erzählerischen Qualität einer Katia Even. Und das ist ärgerlich, denn so wirken die hübschen Zeichnungen doch arg verschwendet.
 

Bild

Fazit: Oh, ich bin verärgert! Eine queere Trennungs- & Selbstfindungsgeschichte, noch dazu mit spicy Zeichnungen, das müsste doch eigentlich ein Selbstläufer sein. Aber wenn die Story halt irgendwo zwischen nichtssagend und problematisch liegt, dann nützt das halt alles nix. Schade, aber Katia Even hat mit „Narzisse“ (Link) erneut einen potentiellen Comic-Hit mit absoluter Präzision in ein immerhin hübsch gezeichnetes, aber langweiliges und bedeutungsloses Ärgernis verwandelt!

Tags